Die weiße Macht
Bedauernswerten unmöglich war, Luft zu holen.
Er versuchte es, und wir hörten dabei das schabende Geräusch, das aus seinem offenen Mund strömte.
Bevor noch einer von uns auf diese Gestalt feuern konnte, riß sich Amelia mit einer wilden Bewegung aus dem Griff los und stürmte der Gestalt entgegen.
»Mutter!« brüllte sie.
Das Wesen schrak zusammen. Es hatte den Schrei sehr deutlich gehört und reagierte auch.
Es ließ Bentini los, der zu Boden prallte und endlich seinen Atem in die Lungen saugen konnte. Er war gerettet, uns aber kam es auf Mutter und Tochter an.
Nein, das war…
Ich konnte nicht mehr denken, wobei es Suko und Father Ignatius ähnlich erging. Besonders der Mönch sah schrecklich aus. Er war bleich wie eine Leiche geworden, schüttelte immer wieder den Kopf, weil diese Dinge für ihn unfaßbar waren.
Wir mußten das Wesen vernichten.
Wer immer es auch war, wahrscheinlich eine Mischung aus Götze und Mensch, es durfte nicht am Leben bleiben, das aber wollte Amelia mit aller Macht verhindern.
Schützend hatte sie sich vor das golden und gleichzeitig dunkel schimmernde Monstrum gestellt. Leicht gebückt, die Arme dabei zur Seite gestemmt. Sie schaute uns mit ihren flirrenden Goldaugen an. »Ihr werdet Baal nicht vernichten können. Er ist überall. Er herrscht in seinem Reich. Die Menschen werden aufgeklärt werden und irgendwann die zahlreichen Abbilder finden. Wir haben eines, er ist ein Götze, und meine Mutter hat ihm gedient, so wie auch ich ihm diene.« Speichel strömte aus ihrem Mund. Wir hatten große Mühe, cool zu bleiben.
»Gehen Sie weg!«
»Neiiiinnn!« kreischte sie.
Der Laut klang wie das Schrillen einer Sirene in unseren Ohren nach. Als er verklungen war, meldete sich Father Ignatius. Er sprach mit brüchiger Stimme. Jedes Wort fiel ihm schwer. »Ist er Ihr Vater, Amelia? Sind Sie Bentinis Tochter?«
»Ja, das bin ich. Ich bin Bentinis Tochter. Vor seiner verfluchten Zeit in der Kirche hat er mich gezeugt. Er lief in Mutters Falle hinein, denn Baal wollte ein Kind, eine Nachfolgerin für meine Mutter, bevor er sie ganz nahm und sich mit ihr vereinigte.«
Ich wußte nicht, wie das geschehen war, ich wollte es auch gar nicht wissen, weil die Vorstellung dessen einfach nicht in meine Welt hineinpaßte, aber ich sah aus dem Augenwinkel, daß Suko seine Dämonenpeitsche gezogen hatte und einen Kreis schlug.
Die drei Riemen rutschten hervor. Er nickte.
Ich wußte, daß wir Amelia keine Chance geben würden, aber ich wollte sie retten. Vielleicht brachte es etwas, wenn wir sie in eine Behandlung gaben, wo wir dann zugegen waren und versuchen würden, mit meinem Kreuz zu helfen, dazu aber mußten wir sie von diesem Mutter-Götzen-Wesen erst einmal trennen.
»Es hat keinen Sinn mehr, Amelia. Sie haben verloren!«
»Nie!« brüllte sie uns an und drehte sich dabei auf der Stelle, so daß sie ihre Mutter jetzt anschauen konnte. Sie blickte direkt hinein in das veränderte, halb zerstörte Knochengesicht, sie klammerte sich an den Schultern fest, zeigte uns ihren Rücken, was ich als positiv ansah.
»Ich werde sie holen!« sagte ich.
»Sei vorsichtig!« flüsterte Suko.
»Sicher!«
Mit wenigen Schritten hatte ich die beiden erreicht. Dazu kam es nicht mehr, denn Amelia hatte sich in eine Furie verwandelt. Sie mußte genau gemerkt haben, was ich vorhatte, denn urplötzlich ließ sie die Gestalt los und kreiselte herum.
Sie hob den rechten Arm an. Dabei blinkte etwas in ihrer Hand, und der gesamte Haß steckte in dem einen Satz, den sie uns mit verzerrtem Gesicht entgegenbrüllte.
»Ihr sollt sterben!«
Sie warf das Messer!
So schnell, daß wir nicht hatten eingreifen können. Es schien ihr egal zu sein, wen die Klinge traf, und Ernesto Bentini, der seine Tochter ebenfalls hatte aus den Klauen befreien wollen, zuckte plötzlich zusammen und schrie leise auf.
Dann senkte er den Blick, und sah, daß aus seiner Brust der Griff des Dolchs hervorragte.
Es war keine normale Waffe, auch wenn sie so aussah. Denn plötzlich strahlte sie auf, ein goldener Schein hielt sie umfangen, und dieses Gold drang auch in den Körper des Mannes.
War ihm zu helfen?
Ich hatte blitzschnell mein Kreuz losgerissen, tat dabei zwei Dinge gleichzeitig. Während Bentini fiel, fing ich ihn auf und hängte die Kette an den Dolchgriff.
Das Kreuz berührte die Brust.
Silbriges Licht strahlte auf, erfüllte flackernd den Keller und beleuchtete die Schußszene dieses Falles, die schlimmer nicht
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