Die weiße Mafia: Wie Ärzte und die Pharmaindustrie unsere Gesundheit aufs Spiel setzen (German Edition)
Gutmensch-Image zelebrieren. Hinter der Maske aber stecken – so sieht es für mich aus – knallharte Geschäftsinteressen. An anderen Stellen der Website kommt zwar noch die eine oder andere Einschränkung, aber von tausendfach durch den sinnlosen PSA-Test ausgelöster Impotenz bzw. »erektiler Dysfunktion« und weiteren Verstümmelungen findet sich kein Wort.
Da macht die offizielle wissenschaftlich-medizinische »Leitlinie zur Früherkennung und Behandlung von Prostatakrebs«, die als verbindliche Orientierung für die deutsche Ärzteschaft dient, auf den ersten Blick einen besseren Eindruck. Sie enthält zu Beginn auch einen Hinweis auf die verschiedenen Fachgesellschaften, die an der Formulierung der Leitlinie beteiligt waren. Ich finde das eine gute Information, denn so erhält man auch mal eine Ahnung, wer alles an dem PSA-Test und dem nachfolgenden Desaster verdient.
Beteiligte Organisationen
Deutsche Gesellschaft für Urologie (DGU), Berufsverband der Deutschen Urologen (BDU), Berufsverband Deutscher Strahlentherapeuten (BVDST), Deutsche Gesellschaft für Radioonkologie (DEGRO), Deutsche Gesellschaft für Hämatologie und Onkologie (DGHO), Deutsche Gesellschaft für Pathologie (DGP), Deutsche Gesellschaft für Nuklearmedizin (DGN), Deutsche Röntgengesellschaft (DRG), Bundesverband Prostatakrebs Selbsthilfe (BPS), Deutsche Krebsgesellschaft (DKG).
Hätten Sie gedacht, dass das »Geschäftsmodell PSA-Test« auf so breiten Füßen steht? Nach einigen Vorbemerkungen gelangen Leser zu den Empfehlungen. Gleich die erste Empfehlung gibt zentrale Punkte des wissenschaftlichen Standes korrekt wieder. Zum Beispiel: »Die prostatakarzinomspezifische Mortalität wird durch das Screening entweder gesenkt oder nicht signifikant beeinflusst. Ein Einfluss auf die Gesamtüberlebenszeit ist nicht nachgewiesen.«
Das ist korrekt. Da der PSA-Test in Deutschland aber individuell und nicht im Rahmen eines Screenings Anwendung findet, hat diese Erkenntnis keine Auswirkungen auf das weitere Prozedere: Der PSA-Test wird im folgenden Plan wie ein Verfahren abgearbeitet, das als medizinischer Standard gilt. Bei der Stanzbiopsie empfiehlt die Leitlinie die Entnahme von zehn bis zwölf Gewebezylindern (Punkt 3.11). Sehr gründlich. Wir haben gelernt, dass so 30 Prozent mehr Untersuchte zu Krebspatienten werden als mit der Sechs-Nadel-Methode. Auf Seite 57 der 91-seitigen Fassung der Leitlinie taucht dann zum ersten und einzigen Mal das Wort » Impotenz « auf. Und zwar zu einem Zeitpunkt, zu dem der Patient definitiv bereits Krebspatient ist.
(Punkt 8.2) »Im ärztlichen Gespräch soll der Patient über alle in dieser Leitlinie beschriebenen relevanten Therapieoptionen, deren Erfolgsaussichten und deren mögliche Auswirkungen informiert werden. Insbesondere soll auf die Auswirkungen auf sein körperliches Erscheinungsbild, sein Sexualleben (Impotenz), seine Harn- und Stuhlkontrolle (Inkontinenz) und Aspekte des männlichen Selbstverständnisses (Selbstbild) eingegangen werden.«
»Psychosoziale Unterstützung« heißt der Abschnitt der Leitlinie, in dem endlich einigermaßen Tacheles geredet wird. Für mein Empfinden gehören die Zahlen zur Wahrscheinlichkeit von Impotenz sowie Harn- und Stuhlinkontinenz hier explizit dazu. Vorgesehen ist diese Beratung aber wohlgemerkt erst nach dem Ergebnis der Stanzbiopsie, wenn man den Patienten – entschuldigen Sie die Formulierung – schon am Haken hat.
Der Patient am Haken
Es gibt zwar auch schon auf den ersten Seiten der Leitlinie zum PSA-Test eine verwandte Formulierung. Sie lautet: »Die Männer sollen über die Vor- und Nachteile der Früherkennungsmaßnahmen aufgeklärt werden, insbesondere über die Aussagekraft von positiven und negativen Testergebnissen, gegebenenfalls über erforderliche weitere Maßnahmen wie die Biopsie der Prostata sowie die Behandlungsoptionen und deren Risiken.« Hört sich super an, oder? Aber lassen Sie mich diesen langen Satz, in dem theoretisch alle Informationen drinstecken (für alle Eingeweihten), etwas auseinandernehmen. Aufklärung »insbesondere über die Aussagekraft von positiven und negativen Testergebnissen« bedeutet vor allem eines: Abwiegeln. Ich formuliere es mal verständlich: »Ein Wert über vier bedeutet noch nicht, dass Sie Krebs haben. In zwei Drittel der Fälle zeigt die weitere Untersuchung keinen Tumor.«
Und warum gibt es die weitere Aufklärung, die Aufklärung über das, was für die PSA-Testkandidaten später zur schweren
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