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Die weiße Mafia: Wie Ärzte und die Pharmaindustrie unsere Gesundheit aufs Spiel setzen (German Edition)

Die weiße Mafia: Wie Ärzte und die Pharmaindustrie unsere Gesundheit aufs Spiel setzen (German Edition)

Titel: Die weiße Mafia: Wie Ärzte und die Pharmaindustrie unsere Gesundheit aufs Spiel setzen (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Frank Wittig
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erinnern uns: In der Leitlinie der Fachgesellschaft steht an erster Stelle die Aussage, dass ein Überlebensvorteil durch das PSA-Screening wissenschaftlich nicht nachgewiesen worden ist.) Also frage ich ihn, wie es mit der großen Studie stehe, die dieses vernichtende Ergebnis für den PSA-Test gezeigt habe. »Diese Studie ist Datenschrott. Die können Sie vergessen«, erklärt er. Vor allem das follow up – also die Beobachtungszeit – sei viel zu kurz. Nur neun Jahre!
    Lassen Sie mich dazu folgende Bemerkung machen: Wenn ich in einer Studie in der Behandlungsgruppe intensiv nach Prostatakrebs fahnde und die gefundenen Tumoren entferne, und in der Kontrollgruppe suche ich nicht, und ich operiere demzufolge in dieser Kontrollgruppe deutlich seltener, und nach neun Jahren gibt es keinen Unterschied bei der Sterblichkeit zwischen der Kontrollgruppe und der Behandlungsgruppe, dann ist das ein starker Hinweis darauf, dass die entfernten Tumoren nicht besonders gefährlich waren.
    Dann kommt der Präsident der deutschen Urologen auf eine finnische Studie zu sprechen und will mir die Ergebnisse als Referenz nahelegen. Ich erinnere mich daran, dass ich von dieser Studie auch in den Leitlinien gelesen hatte, und konfrontiere Prof. Stöckle mit folgender Frage: »In den skandinavischen Ländern ist der Prostatakrebs viel häufiger als in Deutschland. Sie können diese Zahlen doch nicht für unser Land heranziehen.« Der oberste deutsche Urologe stockt kurz und lenkt dann ein. »Das ist richtig. In Deutschland sterben drei Prozent der Männer an Prostatakrebs, in Skandinavien fünf Prozent. Warum, weiß kein Mensch.«
    Dazu wieder eine Zwischenbemerkung: Der oberste deutsche Urologe (und die Leitline für deutsche Urologen) zieht eine Patientenklientel für die Argumentation heran, die ein um zwei Drittel größeres Risiko hat, an Prostatakrebs zu sterben, als die deutschen Männer. Finden Sie, dass das in Ordnung ist? Ich finde das nicht. Denn bei diesem deutlich höheren Risiko kann der PSA-Test in Skandinavien Sinn machen, einen Nutzen bringen. In Deutschland bringt er diesen Nutzen der Studienlage nach nicht.
    Zurück zum Telefonat. Das Problem mit Inkontinenz und Impotenz werde vollkommen übertrieben, fährt Prof. Stöckle fort. Gerade für die älteren Männer wäre Sex nicht mehr so wichtig. Wer wolle, der könne sich heute aufblasbare Schwellkörper implantieren lassen. Und dann sagt er: »Damit können Sie hundert Mal am Tag, wenn Sie wollen.«
Damit können Sie hundert Mal am Tag
    Was mag diese Prothese kosten? Glauben Sie, dass das eine »Kassenleistung« ist? Ich glaube nicht. Und wie mag man sich mit so einer Intimprothese fühlen? Ist das eine Operation, die Prof. Stöckle auch anbietet? Was verdient er an dieser Phallusprothese, die er mir anpreist wie die geniale Lösung aller Potenzprobleme? Fragen, die mir erst nach dem Telefonat durch den Kopf schießen. Denn ich bin wieder einmal viel zu perplex, wie ein hochrangiger Mediziner auf Stammtischniveau argumentiert und glaubt, damit die Kritik am Geschäftsgebaren seiner Zunft einfach wegwischen zu können.
    Und dann kommen wir doch noch zu meinen Fragen. Belastbare Zahlen seien ganz schwer zu bekommen, erklärt Prof. Stöckle. Den PSA-Test gebe es für 30 Euro. (Zwischenbemerkung: Der PSA-Test ist eine IGeL-Leistung, die nicht die Kasse bezahlt, sondern der Patient. Ein starker Hinweis auf die Sinnlosigkeit dieses Tests.) Sicher ist sich Prof. Stöckle bei den Kosten der Operation zur Entfernung des Prostatakrebses, denn die führt er selber durch: 6500 Euro. Und die Bestrahlung? Das wisse er nicht genau, aber die sei deutlich teurer. 8000 Euro oder je nachdem, wer es mache, noch viel mehr. Warum sagt er das?
    Ich habe mir die Zahlen vom Spitzenverband der Krankenkassen schicken lassen: Die Bestrahlung kostet nicht 8000, sondern 4500 Euro. Sie ist also nicht deutlich teurer, sondern deutlich billiger als Prof. Stöckles Operation. Wieder einmal bin ich perplex: Ich halte es nicht für denkbar, dass der Präsident der urologischen Fachgesellschaft nicht weiß, was das Verfahren kostet, das in Konkurrenz zu dem Verfahren steht, mit dem er sein Geld verdient. Ich kann es mir nicht anders erklären, als dass er mich benutzen wollte, um das Konkurrenzverfahren als teuer und damit negativ darzustellen. Merken Sie was? Leitlinien, Fachgesellschaften: Instrumente für den Bestandsschutz. Bis hin zum Sichern der ganz persönlichen Pfründe. Das ist alles, nur eines

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