Die weiße Mafia: Wie Ärzte und die Pharmaindustrie unsere Gesundheit aufs Spiel setzen (German Edition)
dass seit 1990 die Rate der diagnostizierten Krebsfälle so dramatisch angestiegen ist und so viele Hunderttausend Männer sich der Krebsbehandlung unterzogen haben, würde man einen deutlichen Rückgang der Todesfälle erwarten, oder? Doch der trat nicht ein. Die Kurve verläuft noch über lange Zeit waagerecht! Etwa 30 000 Tote jedes Jahr. Mit oder ohne PSA-Test. Etwa seit dem Jahr 2000 ist die Zahl leicht rückläufig – ein in der Grafik im Vergleich zur angeschwollenen Kurve der Krebsdiagnosen allerdings kaum wahrnehmbarer Rückgang. Auch gibt es leider keinen Beweis, dass wenigstens diese zarte Rückläufigkeit der Krebstode auf die massive Zunahme der Krebsbehandlung, auf das Stechen, Schneiden und Bestrahlen an der Prostata, zurückgeführt werden kann. In anderen Ländern, in denen das Screening nicht so konsequent durchgeführt wurde, ergab sich derselbe Rückgang. Studien weisen darauf hin, dass sich die Effektivität der Eingriffe an der Prostata und der Chemotherapie in diesem Zeitraum gebessert haben. Daher der leichte Rückgang bei den Krebsopfern. Wir könnten uns noch weitere Studien ansehen, doch am Ergebnis würde das prinzipiell nichts ändern. Es gibt große Studien, die sogar einen Anstieg der Krebstoten durch den PSA-Test zeigen. 59 »Im besten Fall«, sagt Welch, »bezahlen wir einen vermiedenen Krebstod mit 50 überflüssig diagnostizierten und verstümmelten Männern.«
PSA-Test: eine profitgetriebene Katastrophe
Prof. Richard Ablin, der den PSA-Test entdeckt hat, hat in der New York Times Folgendes geschrieben: »Ich hätte mir nie träumen lassen, dass meine Entdeckung vor 40 Jahren in eine derartige profitgetriebene Katastrophe für das Gesundheitswesen führen würde. Die Medizin sollte sich der Realität stellen und den unangemessenen Einsatz von PSA-Tests stoppen. Das würde Milliarden Dollar sparen und Millionen Männer vor unnötigen und beeinträchtigenden Behandlungen bewahren.« 60
Interessant, dass Ablin hier von einer »profitgetriebenen Katastrophe« spricht. Am Anfang mögen noch viele Urologen gedacht haben, sie handeln im Sinne ihrer Patienten. Aber die wahrscheinlich ausschließlich fatalen Folgen des PSA-Tests in den USA sind schon lange so offensichtlich, dass es eine Schande ist, dass der Test immer noch allgemein als »Vorsorge« praktiziert wird. Schauen wir noch einmal in Deutschland nach. Wie halten es die deutschen Urologen und Krebsmediziner damit?
Die Deutsche Krebsgesellschaft begrüßt ihre Kunden auf ihrer Website zu diesem Thema folgendermaßen: »Früh erkannt ist besser heilbar. Das gilt auch und vor allem beim Prostatakrebs. Warten Sie also gar nicht erst ab, bis Beschwerden auftreten, sondern nehmen Sie regelmäßig an einer Untersuchung zur Früherkennung des Prostatakarzinoms teil.« 61
Das empfiehlt die Deutsche Krebsgesellschaft ganz allgemein. »Auch und vor allem beim Prostatakrebs«. Hier wird die Katastrophe mit blumigen Formulierungen weitergetrieben. Der Korrektheit halber müssen wir an dieser Stelle anmerken, dass in Deutschland kein dem amerikanischen Screening entsprechendes Verfahren zur Anwendung kommt. Die deutschen Urologen haben sich in ihren Leitlinien auf eine » risikoadjustierte « Anwendung des PSA-Tests geeinigt. Also kein flächendeckendes Screening, sondern ein individuell angepasstes. Zum Beispiel wenn es in der Familie schon Fälle von Prostatakrebs gab. Allerdings gibt es keine Studie, die bewiesen hätte, dass die deutsche Medizin mit diesem Verfahren erfolgreicher ist bzw. wie groß der Vorteil ist, den ein PSA-Test in Deutschland eventuell erbringt. Warum wird das angesichts der erschütternden Geschichte des PSA-Tests nicht untersucht?
Die Behauptung der Deutschen Krebsgesellschaft, Früherkennung helfe auch und vor allem beim Prostatakrebs, entbehrt der wissenschaftlichen Basis. Ich kann mir diese Ignoranz gegenüber der Datenlage nur ökonomisch begründet vorstellen. Und wer bei der Deutschen Krebsgesellschaft in die »Mitgliedersektion C« schaut, findet dort auch tatsächlich über 30 Firmen – vor allem Pharmaunternehmen –, die mit Krebsmedikamenten Geld verdienen. Könnte es sein, dass diese »fördernden Mitglieder« darauf achten, dass die Informationen der Deutschen Krebsgesellschaft so gesetzt werden, dass es möglichst viel Krebsmedizin und damit möglichst viel zu verdienen gibt? Ob die Patienten davon profitieren oder nicht? Das sind Strukturen, die ich als mafiös empfinde. Nach außen ein
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