Die Weisse Massai
ganz Maralal. Lketinga hütet unsere Tochter.
Die erste Nacht außerhalb des Spitals ist nicht sehr gemütlich. Weil es in Maralal nachts sehr kalt wird, habe ich Probleme, Napirai die Windeln zu wechseln. Ich friere und sie ebenfalls. Stillen im Dunkeln beherrsche ich auch noch nicht so gut. Am Morgen bin ich müde und habe bereits Schnupfen. Die Hälfte der Windeln ist verbraucht. So wasche ich sie noch hier. Gegen Mittag ist der Wagen mit Lebensmitteln gefüllt, und wir brechen auf. Für uns ist klar, den Umweg zu fahren. Aber mein Mann stellt fest, daß es in den Bergen in Richtung Baragoi regnet. Es besteht die Gefahr, daß die Flüsse sich mit Wasser füllen, und wir diese nicht mehr passieren können. Deshalb entscheiden wir uns, den Weg zurück nach Wamba zu benützen, um von der anderen Seite her nach Barsaloi zu kommen. Wir wechseln uns im Fahren ab, da Lketinga den Wagen nun schon gut beherrscht. Nur ab und zu fährt er zu schnell in große Löcher. Napirai gefällt das Autofahren gar nicht. Ständig schreit sie, und sobald der Wagen stillsteht, ist auch sie ruhig. So legen wir mehrere Pausen ein.
Heimkehr zu dritt
Unterwegs lädt Lketinga zwei Krieger ein, und nach über fünf Stunden Fahrt erreichen wir den riesigen Wamba-River. Er ist berüchtigt wegen des Treibsandes, der beim geringsten Wasservorkommen aktiv wird. Die Mission hat hier vor Jahren einen Wagen verloren. Erschrocken halte ich vor dem steil abfallenden Hang zum River. Wir sehen Wasser. Beunruhigt steigen die Massai aus und gehen zum Fluß hinunter. Er führt nicht viel Wasser, vielleicht zwei bis drei Zentimeter, und ab und zu lugen einzelne trockene Sandbänke hervor. Doch Pater Giuliani hat mich ausdrücklich gewarnt, beim geringsten Naß sei der River zu meiden. Immerhin mißt er eine Breite von zirka 150 Metern. Ich sitze am Steuer des Wagens und überlege enttäuscht, daß wir wohl zurück nach Wamba müssen. Einer der Krieger ist schon bis zu den Knien eingesunken. Der andere, nur einen Meter neben ihm, geht ohne Probleme weiter. Auch Lketinga versucht es. Immer wieder sinkt er ein. Mir ist das Ganze unheimlich, und ich will nichts riskieren. Ich steige aus, um dies meinem Mann mitzuteilen. Doch er kommt wild entschlossen zurück, nimmt mir Napirai ab und fordert mich auf, mit Vollgas zwischen den beiden Kriegern hindurchzufahren. Verzweifelt versuche ich, ihm dies auszureden, doch er sieht es nicht ein. Er will nach Hause, wenn nicht mit dem Wagen, dann zu Fuß. Aber allein kann ich mit dem Kind nicht zurückfahren.
Ganz langsam steigt der Fluß an. Ich weigere mich, zu fahren. Nun wird er wütend, drückt mir Napirai in die Arme, setzt sich selber ans Steuer und will losfahren. Er verlangt von mir den Zündschlüssel. Ich habe ihn nicht und bin der Meinung, er steckt, da der Motor läuft. »No, Corinne, please give me the key, you have driven the car, now you have taken it that we go back to Wamba!« sagt er ärgerlich, dabei funkeln seine Augen böse. Ich gehe zum Wagen, um nachzusehen. Welch ein Hohn, der Wagen läuft ohne Zündschlüssel! Fieberhaft suche ich am Boden und auf den Sitzen, doch der Schlüssel, unser einziger, ist verschwunden.
Lketinga gibt mir die Schuld. Wütend setzt er sich in den Wagen und braust im Vierrad in den River hinein. Bei so viel Unvernunft kann ich mich nicht mehr beherrschen und heule los. Auch Napirai schreit lauthals. Der Wagen sticht in den Fluß. Die ersten Meter geht es gut, die Räder versinken nur ein wenig, doch je weiter er fährt, desto langsamer wird er, und die hinteren Räder sinken durch das schwere Gewicht langsam ab. Er ist nur noch wenige Meter von einer trockenen Sandbank entfernt, als der Wagen droht, zum Stillstand zu kommen, weil die Räder durchdrehen. Ich bete und heule und verfluche alles. Die beiden Krieger stapfen zum Wagen, heben ihn an und schieben. Tatsächlich schafft er die letzen zwei Meter, und die Reifen greifen wieder. Mit Schwung überquert er die zweite Hälfte des Rivers. Mein Mann hat das Kunststück geschafft. Doch stolz bin ich nicht. Zu leichtsinnig hat er alles aufs Spiel gesetzt. Außerdem fehlt der Schlüssel immer noch.
Ein Krieger kommt zurück und hilft mir durch den Fluß. Auch ich sinke oft bis zu den Knien ein. Lketinga steht stolz und wild neben dem Wagen und meint, ich solle jetzt den Schlüssel hergeben. »I don’t have it!« schreie ich entrüstet. Ich gehe zum Wagen und suche erneut alles ab, nichts. Ungläubig schüttelt Lketinga den
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