Die Weisse Massai
kosten wird. Zum Schluß teilt er mir mit, daß er nun Nairobi verlassen will, um nach Hause zu fahren. Die Warterei hier mache ihn nur unglücklich. Ich verstehe das, und wir begleiten ihn zur Busstation. Wir stehen da und warten auf die Abfahrt. Noch einmal fragt er besorgt: »Corinne, my wife, you are sure, you and Napirai come back to Kenya?« Lachend erwidere ich: »Yes, darling, I’m sure.« Dann fährt sein Bus ab.
Erst vorgestern habe ich meiner Mutter telefonisch unseren Besuch ankünden können. Sie war natürlich überrascht, freut sich aber sehr, endlich ihr Enkelkind zu sehen. Deshalb will ich mein Baby und mich selber hübsch machen. Doch es ist schwer, mit so einem kleinen ungestümen Kind das Zimmer zu verlassen. Die Toiletten und Duschen liegen hinten im Gang. Wenn ich die Toilette benutze, muß ich sie wohl oder übel mitnehmen, falls sie nicht gerade schläft. Beim Duschen jedoch geht das schlecht. Ich gehe zur Rezeption und frage die Frau, ob sie eine Viertelstunde auf mein Baby achtet, damit ich duschen kann. Sie würde das gerne tun, doch im Moment habe halb Nairobi kein Wasser wegen eines Rohrbruchs, aber vielleicht funktioniere die Leitung am Abend wieder.
Bis sechs Uhr warte ich, aber es geschieht nichts. Im Gegenteil, überall stinkt es bereits. Ich will nicht länger warten, weil ich um zehn Uhr am Flughafen sein muß, gehe in einen Shop und schleppe einige Liter Mineralwasser in mein Zimmer. Erst wasche ich Napirai, dann meine Haare und notdürftig den Körper.
Ein Taxi bringt uns zum Flughafen. Unser Reisegepäck ist spärlich, obwohl Ende November die Temperaturen in Europa eher winterlich sein werden. Die Stewardessen geben sich viel Mühe mit uns, und immer wieder bleiben sie bei meinem kleinen Mädchen stehen und schwatzen ein paar Worte. Nach dem Essen bekomme ich ein Babybett für sie, und kurz darauf schläft sie. Auch mich übermannt die Müdigkeit. Als ich wieder geweckt werde, gibt es bereits Frühstück. Bei dem Gedanken, bald auf Schweizer Boden zu stehen, werde ich unruhig.
Weiße Gesichter
Mein Baby binde ich im Tragetuch auf den Rücken, und wir passieren problemlos die Paßkontrolle. Da entdecke ich meine Mutter und Hanspeter, ihren Mann. Die Freude ist groß. Napirai schaut interessiert in die weißen Gesichter.
Auf der Fahrt ins Berner Oberland sehe ich meiner Mutter an, daß ihr mein Anblick Sorgen macht. Zu Hause nehmen wir als erstes ein Bad, endlich ein heißes Bad! Meine Mutter hat eine kleine Badewanne für Napirai besorgt und übernimmt diese Arbeit. Als ich ungefähr zehn Minuten im heißen Wasser sitze, juckt es mich am ganzen Körper. Meine wunden Stellen an den Beinen und den Armen sind offen und eitern. Diese Verletzungen sind durch meinen Massai-Schmuck entstanden und heilen in dem feuchten Klima schlecht. Ich steige aus der Badewanne und sehe meinen Körper übersät mit roten Flecken. Napirai schreit bei der verzweifelten Großmutter. Sie ist ebenfalls voller roter Pusteln. Es juckt fürchterlich. Da meine Mutter etwas Ansteckendes befürchtet, melden wir uns für den nächsten Tag bei einem Hautarzt an.
Er ist erstaunt, als er unsere Krankheit erkennt: Krätze. Das ist in der Schweiz eine seltene Krankheit. Es sind Milben unter der Haut, die sich bei großer Hitze weiterbewegen, was den extremen Juckreiz verursacht. Natürlich wundert sich der Arzt, woher wir diese Krankheit haben. Ich erzähle von Afrika. Als er auch noch meine Wunden entdeckt, die sich schon bis zu einem Zentimeter ins Fleisch gefressen haben, schlägt er mir vor, einen Aids-Test zu machen. Mir bleibt im ersten Moment die Luft weg, aber ich bin bereit. Er gibt mir mehrere Flaschen mit einer Flüssigkeit mit, die wir täglich dreimal gegen die Krätze auftragen müssen und sagt, ich solle mich wegen der Testergebnisse in drei Tagen melden. Diese Tage des Wartens sind schlimmer als alles Bisherige.
Den ersten Tag schlafe ich viel und gehe früh mit Napirai zu Bett. Am zweiten Tag klingelt abends das Telefon, und ich werde vom Arzt persönlich verlangt. Mir dröhnt der Puls, als ich den Hörer, aus dem die Antwort über mein weiteres Schicksal kommen wird, entgegennehme. Der Arzt entschuldigt sich für den späten Anruf, möchte mir aber das Warten erleichtern und teilt mit, der Test sei negativ ausgefallen. Ich bin unfähig, mehr als danke! zu sagen, fühle mich aber wie neu geboren, und eine große Kraft durchströmt meinen Körper. Jetzt weiß ich, daß ich auch die Folgen der
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