Die Weisse Massai
Vollmond«, gebe ich lachend zur Antwort.
Wir verbringen am letzten Tag jede Minute gemeinsam und beschließen, bis vier Uhr morgens in die Bush-Baby-Bar zu gehen, um nicht zu verschlafen und die Zeit zu nutzen. Wir reden, zeigen, deuten die ganze Nacht, und immer wieder die gleiche Frage, ob ich wirklich wiederkomme. Ich verspreche es zum zwanzigsten Mal und merke, wie aufgewühlt auch Lketinga ist.
Eine halbe Stunde vor Abfahrt treffen wir, begleitet von zwei weiteren Massai, im Hotel ein. Die verschlafenen, wartenden Weißen schauen uns irritiert an. Mit meiner Reisetasche und den drei geschmückten Massai mit ihren Rungus muß ich wohl ein sonderbares Bild abgeben. Dann muß ich einsteigen. Lketinga und ich fallen uns noch einmal in die Arme, und er sagt: »No problem, Corinne! I wait here or I come to you!« Dann, ich kann es kaum fassen, drückt er mir noch einen Kuß auf den Mund. Ich bin gerührt, steige ein und winke den dreien zu, die in der Finsternis zurückbleiben.
Abschied und Aufbruch
In der Schweiz beginne ich sogleich mit der Suche nach einer Nachfolgerin für mein Geschäft. Viele haben Interesse, wenige eignen sich, doch diese haben kein Geld. Natürlich will ich möglichst viel herausholen, weil ich nicht weiß, wann ich wieder Geld verdienen kann. Mit zehn Franken kann ich in Kenia gut zwei Tage leben. So werde ich ziemlich geizig und lege jeden Franken für die Zukunft in Afrika zur Seite.
Schnell ist ein Monat vergangen, und von Lketinga habe ich nichts gehört. Ich habe bereits drei Briefe geschrieben. Deshalb schreibe ich nun etwas beunruhigt auch an Priscilla. Zwei Wochen später erhalte ich von ihr einen Brief, der mich verwirrt. Von Lketinga habe sie schon zwei Wochen nach meiner Abreise nichts mehr gesehen, wahrscheinlich lebe er wieder an der Nordküste. Mit seinem Paß gehe es nicht so recht vorwärts, und zu guter Letzt rät sie mir, ich solle lieber in der Schweiz bleiben. Ich bin völlig ratlos und schreibe sofort den nächsten Brief an die P.O. Box an der Nordküste, wohin schon meine ersten Briefe an Lketinga gingen.
Nach fast zwei Monaten entschließt sich eine Freundin von mir, mein Geschäft zum ersten Oktober zu kaufen. Ich bin überglücklich, daß dieses größte Problem endlich gelöst ist. Also kann ich theoretisch im Oktober abreisen. Aber von Lketinga habe ich leider immer noch nichts gehört. In die Schweiz muß er nun nicht mehr kommen, weil ich bald wieder in Mombasa sein werde, denke ich und glaube weiterhin an unsere große Liebe. Von Priscilla erhalte ich noch zwei verworrene Briefe, doch mit unerschütterlichem Glauben gehe ich zum Reisebüro und buche einen Flug nach Mombasa für den fünften Oktober.
Mir bleiben noch gut zwei Wochen, um meine Wohnung und die Autos loszuwerden. Die Wohnung ist kein Problem, da ich alles komplett eingerichtet zu einem Spottpreis einem jungen Studenten verkaufe. So kann ich wenigstens bis zur letzten Minute in der Wohnung bleiben.
Meine Freunde, Geschäftskollegen, alle, die mich kennen, begreifen nicht, was ich mache. Für meine Mutter ist es besonders hart, doch habe ich das Gefühl, daß sie mich noch am ehesten versteht. Sie hoffe und bete für mich, daß ich finde, was ich suche, und glücklich werde.
Mein Cabriolet verkaufe ich am allerletzten Tag und lasse mich gleich zum Bahnhof bringen. Als ich das Bahnbillett nach Zürich-Kloten »einfach« löse, bin ich aufgeregt. Mit kleinem Handgepäck und einer großen Reisetasche, in der sich einige T-Shirts, Unterwäsche, einfache Baumwollröcke und einige Geschenke für Lketinga und Priscilla befinden, sitze ich im Zug und warte auf die Abfahrt.
Als sich der Zug in Bewegung setzt, glaube ich vor Freude abzuheben. Ich lehne mich zurück, leuchte wahrscheinlich wie eine Laterne und lache vor mich hin. Ein wundervolles Gefühl der Freiheit hat mich ergriffen. Ich könnte losschreien und jedem, der im Zug sitzt, mein Glück und mein Vorhaben mitteilen. Ich bin frei, frei, frei! In der Schweiz habe ich keine Verpflichtungen mehr, keinen Briefkasten mit Rechnungen, und ich entkomme dem trostlosen, trüben Wetter im Winter. Ich weiß nicht, was mich in Kenia erwartet, ob Lketinga meine Briefe erhalten hat und wenn, ob sie ihm richtig übersetzt wurden. Ich weiß nichts und genieße einfach das beglückende Gefühl von Schwerelosigkeit.
Drei Monate werde ich Zeit haben, mich einzuleben, erst dann muß ich mich um ein weiteres Visum bemühen. Mein Gott, drei Monate, viel Zeit, um
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