Die Weisse Massai
los müssen und er natürlich nicht in europäischer Kleidung auftreten kann. Bei diesem Anblick kann ich nur mühsam mein Lachen unterdrücken. Da er die Turnschuhe anhat, gelingt es ihm nicht, die Jeans darüberzuziehen. Nun hängt die Hose an seinen Beinen und geht weder rauf noch runter. Lachend knie ich nieder und versuche, die Schuhe wieder aus den Jeansbeinen herauszukriegen, wobei er schreit: »No, Corinne, out with this!« auf die Hose zeigend. »Yes, yes«, antworte ich und versuche zu erklären, daß er zuerst wieder hineinsteigen muß, dann die Schuhe ausziehen soll, erst dann könne er sich der Hose entledigen.
Die halbe Stunde ist längst um, und wir hetzen zum Hotel. In seinem bewährten Outfit gefällt er mir tausendmal besser. Er hat schon große Blasen an den Fersen von den neuen Schuhen, die er natürlich ohne Socken tragen wollte. Wir erreichen gerade noch rechtzeitig die Show. Ich setze mich zu den weißen Zuschauern, die mich zum Teil abschätzig mustern, da ich immer noch dieselben Kleider wie am Morgen anhabe, die sicher nicht schöner und sauberer geworden sind. Auch rieche ich nicht so frisch wie die eben geduschten Weißen, von meinen verklebten langen Haaren ganz zu schweigen. Trotzdem bin ich wahrscheinlich die stolzeste Frau in diesem Raum. Beim Anblick der tanzenden Männer überkommt mich dieses mir nun schon bekannte Gefühl der Dazugehörigkeit.
Als die Show und der Verkauf vorbei sind, ist es fast Mitternacht. Ich will nur noch schlafen. Im Lodging möchte ich mich notdürftig waschen, doch Lketinga kommt, gefolgt von einem weiteren Massai, in unseren Raum und meint, sein Freund könne doch im zweiten Bett schlafen. Ich bin nicht gerade erfreut über die Vorstellung, mit einem fremden Mann diese drei mal drei Meter zu teilen, aber ich sage nichts, um nicht unhöflich zu erscheinen. Also quetsche ich mich in meinen Kleidern mit Lketinga auf das schmale, durchhängende Bett und schlafe trotzdem irgendwann ein.
Morgens kann ich endlich duschen, zwar nicht sehr luxuriös mit spärlichem Wasserstrahl, dazu noch eiskalt. Trotz der dreckigen Kleider fühle ich mich auf der Fahrt zurück zur Südküste etwas besser.
In Mombasa kaufe ich mir ein einfaches Kleid, da wir im Office wegen des Passes und der Formulare vorbeischauen wollen. Heute klappt es tatsächlich. Nach dem Begutachten des vorläufigen Tickets und der Bescheinigung über das Depotgeld erhalten wir endlich ein Antragsformular. Beim Versuch, die vielen Fragen zu beantworten, stelle ich fest, daß ich die meisten kaum verstehe, und beschließe deshalb, das Papier mit Ursula und ihrem Mann auszufüllen.
Nach fünf Stunden Fahrt sind wir schließlich wieder an der Südküste in unserem Häuschen. Priscilla hat sich bereits große Sorgen gemacht, da sie nicht wußte, wo wir die Nacht verbracht haben. Lketinga muß ihr erklären, warum er in der europäischen Aufmachung daherkommt. Ich lege mich etwas hin, weil es draußen wirklich heiß ist. Hunger habe ich auch. Sicher bin ich schon um etliche Kilo leichter geworden.
Mir bleiben noch sechs Tage bis zum Heimflug, und ich habe mit Lketinga noch nicht über eine gemeinsame Zukunft in Kenia gesprochen. Alles dreht sich nur um diesen blöden Paß. So mache ich mir Gedanken, was ich hier anfangen könnte. Zum Leben benötigt man bei diesem bescheidenen Stil nicht viel Geld, und trotzdem brauche ich eine Aufgabe und zusätzliche Einnahmen. Da kommt mir die Idee, in einem der vielen Hotels ein Ladenlokal zu suchen. Ich könnte ein oder zwei Schneiderinnen beschäftigen, Schnittmuster von Kleidern aus der Schweiz mitbringen und hier eine Schneiderei betreiben. Schöne Stoffe gibt es im Überfluß, gute Näherinnen ebenfalls, die für etwa 300 Franken im Monat arbeiten, und verkaufen ist meine absolute Stärke.
Von dieser Idee begeistert, rufe ich Lketinga ins Häuschen und versuche sie ihm zu erklären, merke aber bald, daß er mich nicht versteht. Doch das erscheint mir jetzt wichtig, und deshalb hole ich Priscilla hinzu. Sie übersetzt, und Lketinga nickt nur ab und zu. Priscilla erklärt mir, ohne Arbeitsbewilligung oder Heirat könne ich mein Vorhaben nicht verwirklichen. Die Idee sei gut, denn sie kenne hier einige Leute, die mit einer Maßschneiderei gutes Geld verdienen. Ich frage Lketinga, ob er denn eventuell an einer Heirat interessiert sei. Entgegen meinen Erwartungen reagiert er zurückhaltend. Er meint auch recht vernünftig, da ich ein so gutgehendes Geschäft in der
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