Die Weisse Massai
zu essen.« Erleichtert atme ich auf.
Kurz vor Einbruch der Dunkelheit ziehen wir weiter zum nächsten Bruder. Auch hier erwartet uns eine freudige Begrüßung. Die Leute waren nicht informiert, daß Priscilla kommt und weißen Besuch mitbringt. Dieser Bruder ist mir sehr sympathisch. Endlich kann ich mich gut unterhalten. Auch seine Frau spricht etwas Englisch. Beide haben die Schule besucht.
Dann muß ich mir erneut eine Ziege aussuchen. Ich fühle mich hilflos, denn ich möchte nicht schon wieder das zähe Ziegenfleisch essen. Andererseits habe ich wirklich Hunger und wage zu fragen, ob es noch etwas anderes zu essen gibt, wir Weißen seien es nicht gewohnt, so viel Fleisch zu konsumieren. Alle lachen, und seine Frau meint, ob ich lieber ein Huhn mit Kartoffeln und Gemüse möchte. Bei diesem herrlichen Menüvorschlag antworte ich begeistert: »Oh yes!« Sie verschwindet und kommt bald darauf mit einem gerupften Huhn, Kartoffeln und einer Art Blattspinat zurück. Diese Massai sind richtige Bauern, haben zum Teil eine Schule besucht und arbeiten hart auf ihren Feldern. Wir Frauen essen gemeinsam mit den Kindern das wirklich gute Mahl. Es ist wie ein Eintopf und schmeckt nach all den gut gemeinten Fleischbergen wunderbar.
Wir bleiben fast eine Woche und machen unsere Besuche von hier aus. Sogar warmes Wasser wird für mich zubereitet, damit ich mich waschen kann. Trotzdem sind unsere Kleider dreckig und stinken fürchterlich nach Rauch. Langsam habe ich genug von diesem Leben und sehne mich nach dem Strand in Mombasa und meinem neuen Bett. Auf meinen Wunsch abzureisen entgegnet Priscilla, wir seien noch auf eine Hochzeitszeremonie eingeladen, die in zwei Tagen stattfindet, und so bleiben wir.
Die Hochzeit findet einige Kilometer entfernt statt. Einer der reichsten Massai soll dort seine dritte Frau heiraten. Ich bin überrascht, daß die Massai offensichtlich so viele Frauen heiraten dürfen, wie sie ernähren können. Mir kommen dabei die Gerüchte über Lketinga in den Sinn. Vielleicht ist er ja wirklich schon verheiratet? Dieser Gedanke macht mich fast krank. Doch ich beruhige mich und denke, er hätte mir das sicher erzählt. Irgend etwas anderes steckt hinter seinem Verschwinden. Ich muß es herausfinden, sobald ich in Mombasa bin.
Die Zeremonie ist beeindruckend. Hunderte von Männern und Frauen erscheinen. Auch der stolze Bräutigam wird mir vorgestellt, der mir anbietet, wenn ich heiraten wolle, wäre er sofort bereit, auch mich zur Frau zu nehmen. Ich bin sprachlos. Zu Priscilla gewandt fragt er sie tatsächlich, wie viele Kühe er für mich bieten müsse. Priscilla aber wehrt ab, und er geht.
Dann erscheint die Braut, begleitet von den zwei ersten Frauen. Es ist ein wunderschönes Mädchen, geschmückt von Kopf bis Fuß. Über ihr Alter bin ich schockiert, denn sie ist bestimmt nicht älter als zwölf oder dreizehn Jahre. Die beiden anderen Ehefrauen sind vielleicht achtzehn oder zwanzig. Der Bräutigam selbst ist sicher auch nicht sehr alt, aber immerhin etwa fünfunddreißig. »Wieso«, frage ich Priscilla, »werden hier Mädchen verheiratet, die fast noch Kinder sind?« Das sei eben so, sie selbst sei nicht viel älter gewesen. Irgendwie empfinde ich Mitleid mit dem Mädchen, das zwar stolz, aber nicht glücklich aussieht.
Wieder wandern meine Gedanken zu Lketinga. Ob er überhaupt weiß, daß ich siebenundzwanzig Jahre alt bin? Plötzlich fühle ich mich alt, verunsichert und nicht mehr besonders attraktiv in meinen schmutzigen Kleidern. Die zahlreichen Angebote von verschiedenen Männern, die über Priscilla auf mich zukommen, können dieses Gefühl nicht mindern. Mir gefällt keiner, und in Bezug auf einen möglichen Ehemann existiert in meinen Gedanken nur Lketinga. Ich will nach Hause, nach Mombasa. Vielleicht ist er in der Zwischenzeit gekommen. Immerhin bin ich schon fast einen Monat in Kenia.
Begegnung mit Jutta
Wir nächtigen das letzte Mal in der Hütte und kehren am nächsten Tag nach Mombasa zurück. Mit klopfendem Herzen marschiere ich zum Village. Von weitem hört man fremde Stimmen, und Priscilla ruft: »Jambo, Jutta!« Mein Herz macht einen Freudensprung, als ich diese Worte höre. Nach fast zwei Wochen nahezu ohne Konversation freue ich mich auf die angekommene Weiße.
Sie begrüßt mich ziemlich kühl und redet auf Suaheli mit Priscilla. Schon wieder verstehe ich nichts! Doch dann schaut sie mich lachend an und fragt: »So, wie hat dir das Buschleben gefallen? Wenn du nicht
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