Die Weisse Massai
damit wir in der einbrechenden Dunkelheit noch etwas sehen können. Zu zweit liegen wir im Bett und machen es uns gemütlich, so gut es geht. Vor Erschöpfung schlafe ich bald ein.
Schon am frühen Morgen sind wir wach, da einige Leute lärmend mit der Arbeit beginnen. Wir wollen uns erst einmal an einem Waschbecken mit kaltem Wasser gründlich reinigen, was in der Morgenkühle einiges an Überwindung kostet. Aber schließlich will ich hübsch sein, wenn ich meinem Massai endlich gegenüberstehe.
Aufgedreht und voller Tatendrang möchte ich nach Maralal und mir das Städtchen näher anschauen. Bei so vielen Massai-Kriegern, die ich bei unserer Ankunft gesehen habe, muß es doch einen geben, den Jutta von früher kennt. Mit meiner Euphorie habe ich Jutta angesteckt, und nach dem üblichen Tee ziehen wir los. Ab und zu überholen wir Frauen oder junge Mädchen, die ebenfalls in diese Richtung gehen, um ihre Milch, die sie in Kalebassen tragen, im Ort zu verkaufen.
»Jetzt brauchen wir viel Geduld und Glück«, sagt Jutta. »Vor allem müssen wir etliche Runden drehen, damit wir gesehen werden oder ich jemanden wiedererkenne.« Das Städtchen ist schnell umrundet. Die einzige Straße verläuft in einer Art Rechteck. Links und rechts von ihr gibt es einen Laden nach dem anderen. Alle sind, mit wenigen Ausnahmen, halb leer und bieten fast dasselbe an. Zwischen den Geschäften befinden sich ab und zu Lodgings, in denen man im vorderen Raum ißt oder etwas trinkt. Hinten liegen die Übernachtungsräume, einer nach dem anderen, wie in einem Kaninchenstall. Danach folgt die Toilette, die sich immer als Plumpsklo entpuppt. Mit etwas Glück findet sich eine Dusche mit spärlichem Wasserstrahl. Das auffallendste Gebäude ist die Commercial Bank. Sie ist komplett aus Beton und frisch angestrichen. In der Nähe der Bushaltestelle gibt es eine Zapfsäule für Benzin. Autos habe ich allerdings bis jetzt nur drei gesehen, zwei Landrover und einen Pick-up.
Die erste Runde durch das Dorf machen wir recht gemütlich, und ich schaue mir jedes Geschäft an. Der eine oder andere Ladenbesitzer versucht, uns in Englisch anzusprechen. Hinter uns befindet sich immer eine Traube von Kindern, die aufgeregt sprechen oder lachen. Das einzige Wort, das ich verstehe, ist: »Mzungu, Mzungu«, »Weiße, Weiße«.
Wir machen uns gegen sechzehn Uhr auf den Heimweg. Mein Hochgefühl ist geschwunden, obwohl mein Verstand sagt, daß ich Lketinga nicht gleich am ersten Tag finden kann. Auch Jutta beruhigt mich: »Morgen sind wieder ganz andere Menschen im Dorf. Jeden Tag kommen neue, nur die wenigsten wohnen hier, und die sind nicht interessant für uns. Morgen wissen einige Leute mehr, daß zwei weiße Frauen hier sind, denn diese Nachricht bringen diejenigen von heute in den Busch zurück.« Eine echte Chance sieht Jutta erst nach etwa drei oder vier Tagen.
Die Tage verstreichen, und ich empfinde all das Neue in Maralal nicht mehr besonders aufregend, denn ich kenne bald jeden Winkel in diesem Nest. Jutta hat mit meinen Fotos von Lketinga einige Krieger angesprochen, aber mehr als argwöhnisches Grinsen haben wir nicht geerntet. Nun ist eine Woche vorbei, und es ist immer noch nichts geschehen, außer daß wir uns langsam blöd vorkommen, immer dasselbe zu tun. Jutta erklärt mir, sie komme noch einmal mit und dann solle ich es selber mit den Fotos probieren. In dieser Nacht bete ich, daß es morgen klappen möge, denn ich will nicht glauben, daß der weite Weg umsonst war.
Als wir die dritte Runde drehen, kommt ein Mann auf uns zu und spricht Jutta an. An den großen Löchern im Ohrläppchen erkenne ich, daß es sich um einen ehemaligen Samburu-Krieger handelt. Zwischen den beiden entsteht ein lebhafter Wortwechsel, und ich stelle erfreut fest, daß Jutta ihn kennt. Der Mann heißt Tom, und Jutta zeigt ihm die Fotos von Lketinga. Er schaut sie an und sagt langsam: »Yes, I know him.«
Jetzt bin ich wie elektrisiert. Da die beiden nur Suaheli sprechen, verstehe ich fast gar nichts. Immer wieder frage ich: »Was ist, Jutta, was weiß er über Lketinga?« Wir gehen in ein Restaurant, und Jutta übersetzt. Ja, er kenne ihn, nicht sehr gut, aber er wisse, daß dieser Mann zu Hause bei seiner Mutter lebe und täglich mit den Kühen unterwegs sei. »Wo ist sein Zuhause?« frage ich gespannt. Es ist recht weit, erzählt er, etwa sieben Stunden Fußmarsch für einen geübten Mann. Man müsse einen dichten Wald durchqueren, der sehr gefährlich sei, da es
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