Die Weisse Massai
nicht mehr so weit bis nach Hause. Lketinga hat immer noch nicht geschlafen. Offensichtlich hält dieses Miraa wirklich wach. Nur seine Augen sind unnatürlich starr, und Unterhaltung scheint er keine zu benötigen. Ich werde langsam unruhig. Schon rieche ich das Salz in der Luft, die Temperatur wird angenehmer. Von der feuchten Kälte Nairobis ist nichts mehr zu spüren.
Zurück in Mombasa
Kurz nach fünf Uhr früh fahren wir endlich in Mombasa ein. Einige Leute steigen beim Busbahnhof aus. Ich will auch raus, doch Lketinga hält mich zurück und erklärt, vor sechs Uhr ginge kein Bus an die Küste, wir müßten hier warten, weil es sonst zu gefährlich sei. Jetzt sind wir endlich angekommen, und aussteigen kann man immer noch nicht! Meine Blase zerreißt es fast. Ich versuche, dies Lketinga mitzuteilen. »Come!« sagt er und erhebt sich. Wir steigen aus und begeben uns zwischen zwei leere Busse. Da außer ein paar streunenden Katzen und Hunden weit und breit niemand zu sehen ist, leere ich im Schutz der Busse meine Blase. Lketinga lacht, als er meinen »Bach« bemerkt.
Die Luft ist herrlich an der Küste, und ich frage ihn, ob wir nicht langsam zur nächsten Matatu-Station gehen könnten. Er holt meine Tasche, und wir ziehen in der Morgendämmerung los. Bei einem Wächter, der ein Geschäft bewacht und sich seinen Chai auf einem Kohleöfchen wärmt, bekommen wir sogar unseren Frühstückstee. Dafür gibt Lketinga ihm etwas Miraa. Ab und zu schleichen zerlumpte Gestalten an uns vorbei, die einen still, die anderen lallend. Da und dort liegen Menschen auf Kartons oder Zeitungen am Boden und schlafen. Es ist wirklich noch die Zeit der Gespenster, bevor das geschäftige Treiben beginnt. Doch ich fühle mich ganz und gar sicher in Gegenwart meines Kriegers.
Kurz vor sechs Uhr hupen die ersten Matatus, und nur etwa zehn Minuten später erwacht die ganze Gegend. Auch wir sitzen wieder in einem Bus zur Fähre. Auf der Fähre überkommt mich erneut ein großes Glücksgefühl. Nun folgt das letzte Stündchen Busfahrt zur Südküste. Lketinga scheint nervös zu werden, und ich frage ihn: »Darling, you are okay?« »Yes«, antwortet er und redet dann auf mich ein. Ich verstehe nicht alles, doch will er anscheinend bald herausfinden, welcher Massai meine Briefe gestohlen und wer mir erzählt hat, er wäre verheiratet. Dabei schaut er so finster, daß es mir unbehaglich wird. Ich versuche ihn zu beruhigen, daß dies doch keine Rolle mehr spiele, weil ich ihn gefunden habe. Er erwidert nichts und schaut unruhig zum Fenster hinaus.
Wir gehen direkt ins Village. Priscilla ist überrascht, als wir zwei ankommen. Sie begrüßt uns freudig und macht sofort Chai. Esther ist nicht mehr hier. Meine Sachen hängen schön geordnet über einer Schnur hinter der Tür. Priscilla und Lketinga unterhalten sich zuerst freundlich, doch schon bald wird die Diskussion heftiger. Ich versuche herauszukriegen, was los ist. Priscilla meint, er mache ihr Vorwürfe. Sie hätte sicher gewußt, daß ich geschrieben habe. Schließlich beruhigt sich Lketinga und legt sich endlich auf unserem großen Bett schlafen.
Priscilla und ich bleiben draußen und suchen nach einer Lösung des Schlafproblems, denn zu dritt mit einer Massai-Frau geht das nicht in einem Häuschen. Da bietet uns ein anderer Massai, der an die Nordküste will, sein Hütte an. Also putzen wir sie und schleppen meine Sachen und das große Bett in unsere neue Behausung. Nachdem ich alles so gemütlich wie möglich eingerichtet habe, bin ich zufrieden. Die Miete kostet umgerechnet zehn Franken.
Wir verbringen zwei schöne Wochen. Tagsüber lehre ich Lketinga lesen und schreiben. Er ist begeistert, lernt mit wirklicher Freude. Die englischen Bücher mit den Bildchen helfen uns dabei sehr, und er ist stolz über jeden Buchstaben, den er mehr erkennt. Nachts besuchen wir manchmal Massai-Vorführungen mit Schmuckverkauf. Den Schmuck stellen wir zum Teil selbst her. Lketinga und ich fertigen schöne Armbänder, Priscilla bestickt Gürtel.
Einmal findet einen ganzen Tag lang ein Schmuck-, Schilder- und Speerverkauf im Robinson-Club statt. Zu diesem Zweck kommen viele von der Nordküste, auch Massai-Frauen. Lketinga ist nach Mombasa gefahren und hat diverse Sachen von Händlern gekauft, damit wir mehr zum Ausstellen haben. Das Geschäft läuft phantastisch. Alle Weißen belagern unseren Stand und bedrängen mich mit Fragen. Als wir fast alles verkauft haben, helfe ich auch den anderen, ihre
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