Die Weisse Massai
bin am Verzweifeln, zumal Priscilla von ihrem Kangaverkauf am Strand noch nicht zurück ist. Er solle etwas essen, bitte ich ihn. Doch er lacht höhnisch, von diesem »food« esse er nichts, ich wolle ihn bestimmt vergiften.
Nun kann ich meine Tränen nicht mehr zurückhalten. Er sieht es und fragt, wer gestorben sei. Um Ruhe zu bewahren, bete ich laut vor mich hin. Endlich kommt Priscilla zurück, und ich hole sie sofort. Auch sie versucht, mit ihm zu sprechen, kommt aber nicht weiter. Nach einer Weile sagt sie: » He’s crazy!« Viele Morans, die Krieger, die an die Küste kommen, bekämen den Mombasa-Koller. Bei ihm sei es allerdings sehr schlimm. Vielleicht habe ihn jemand »crazy« gemacht. »Was, wie und welcher jemand?« stottere ich und erwähne, daß ich nicht an solche Sachen glaube. Hier in Afrika gebe es vieles, was ich lernen müsse, belehrt mich Priscilla. »Wir müssen ihm helfen!« flehe ich sie an. »Okay!« sagt sie, sie werde jemanden an die Nordküste senden, um Hilfe zu holen. Dort sei das große Zentrum der Küsten-Massai. Ihrem Oberhaupt unterstünden im weitesten Sinne alle Krieger. Er müsse entscheiden, was geschehen soll.
Um etwa neun Uhr abends kommen zwei Krieger von der Nordküste zu uns. Obwohl sie mir nicht sehr angenehm sind, bin ich froh, daß endlich etwas geschieht. Sie sprechen auf Lketinga ein und massieren seine Stirn mit einer intensiv riechenden getrockneten Blume. Während sie sich unterhalten, gibt Lketinga ganz normal Antwort. Ich kann es kaum glauben. Vorher war er noch so verwirrt, jetzt redet er ruhig. Damit auch ich eine Aufgabe habe, koche ich für alle Chai. Verstehen kann ich nichts und fühle mich deshalb hilflos und überflüssig.
Zwischen den drei Männern herrscht eine solche Vertrautheit, daß sie mich gar nicht mehr wahrnehmen. Trotzdem nehmen sie gerne Tee, und ich frage, was los sei. Einer von ihnen spricht etwas Englisch und erklärt mir, Lketinga gehe es nicht gut, er sei krank im Kopf. Vielleicht ginge es bald vorbei. Er brauche Ruhe und viel Platz, deshalb würden sie etwas abseits zu dritt im Busch schlafen. Morgen führen sie mit ihm zur Nordküste, um alles zu regeln. »Aber warum kann er nicht hier schlafen bei mir?« frage ich verstört, denn bald glaube ich niemandem mehr, obwohl es ihm im Moment sichtlich besser geht. Nein, meinen sie, für sein Blut sei meine Nähe jetzt nicht gut. Sogar Lketinga pflichtet ihnen bei, da er eine solche Krankheit bisher nicht hatte, es müsse also an mir liegen. Ich bin schockiert, dennoch bleibt mir nichts anderes übrig, als ihn mit den anderen ziehen zu lassen.
Am nächsten Morgen kommen sie tatsächlich zurück, um Tee zu trinken. Lketinga geht es gut, er ist fast wieder der alte. Die zwei bestehen trotzdem darauf, daß er zur Nordküste mitgeht. Lachend willigt er ein: »Now I’m okay!« Als ich erwähne, daß ich heute nacht nach Nairobi muß, um mein Visum zu holen, sagt er: »No problem, wir fahren zur Nordküste und dann zusammen nach Nairobi.«
An der Nordküste angekommen wird da und dort zuerst geschwatzt, bis wir zur Hütte des »Häuptlings« geführt werden. Er ist nicht so alt, wie ich angenommen habe, und empfängt uns herzlich, obwohl er uns nicht sehen kann, denn er ist blind. Geduldig spricht er auf Lketinga ein. Ich sitze da und beobachte die Szene, ohne nur das geringste zu verstehen. Andererseits wage ich im Moment nicht, den Dialog zu unterbrechen. Mir läuft langsam die Zeit davon. Obwohl ich erst den Nachtbus nehmen will, muß ich doch das Ticket drei bis vier Stunden vor der Abfahrt besorgen, sonst bekomme ich keinen Platz.
Nach einer Stunde erklärt mir der Häuptling, ich solle ohne Lketinga fahren, denn Nairobi sei für seinen Zustand und sein sensibles Gemüt nicht gut. Sie würden auf ihn aufpassen, und ich solle so schnell wie möglich wiederkommen. Ich bin einverstanden, weil ich völlig hilflos wäre, wenn in Nairobi etwas Ähnliches passieren würde. So verspreche ich Lketinga, wenn alles wunschgemäß verläuft, bereits morgen abend den Bus zurück zu nehmen und übermorgen in der Früh wieder hierherzukommen. Als ich in den Bus einsteige, ist Lketinga sehr traurig. Er hält meine Hand und fragt mich, ob ich auch wirklich zurückkomme. Ich versichere ihm, er solle sich keine Gedanken machen, ich käme wieder und dann würden wir weitersehen. Wenn es ihm nicht gut gehe, könnten wir auch einen Arzt aufsuchen. Er verspricht mir, zu warten und alles zu probieren, um keinen
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