Die Weisse Massai
schnell ein Mord passiert. Mir ist nicht wohl, als ich die Bank verlasse, weil viele wartende Menschen mich beobachtet haben. Über der einen Schulter trage ich die schwere Reisetasche, gefüllt mit den restlichen Kleidern aus Mombasa. In der rechten Hand halte ich einen Schlagstock, wie ich es von Rambo-Jutta gelernt habe. Im Notfall würde ich ihn sofort gebrauchen.
Ständig wechsle ich die Straßenseite, um feststellen zu können, ob mir jemand aus der Bank folgt. Erst nach etwa einer Stunde traue ich mich, den Busbahnhof aufzusuchen, um das Ticket für den Nachtbus nach Nairobi zu lösen. Danach gehe ich zurück ins Zentrum und setze mich ins Hotel Castel. Es ist das teuerste in Mombasa und steht unter Schweizer Leitung. Endlich kann ich wieder einmal europäisch essen, allerdings zu gigantischen Preisen. Aber was soll’s, ich weiß nicht, wann ich das nächste Mal wieder zu Salat oder Pommes frites komme.
Pünktlich fährt der Bus ab, und ich freue mich, bald wieder zu Hause zu sein und Lketinga zu beweisen, daß er mir vertrauen kann. Nach nur gut eineinhalb Stunden macht der Bus einen Schlenker und steht kurz darauf bockstill. Es wird laut, alle sprechen durcheinander. Der Fahrer stellt fest, daß der Bus am Hinterrad einen Platten hat. Nun steigen alle aus. Einige setzen sich an den Straßenrand und holen Tücher oder Wolldecken hervor. Es ist stockfinster, weit und breit keine Siedlung. Ich spreche einen Mann mit Brille auf Englisch an, da ich annehme, einer mit Goldbrille spricht diese Sprache. Tatsächlich versteht er mich und meint, es könnte länger dauern, da auch das Reserverad kaputt sei und wir nun warten müßten, bis ein Fahrzeug aus der anderen Richtung kommt, um jemanden nach Mombasa mitzunehmen. Dieser soll veranlassen, daß ein Ersatzreifen hergeschickt wird.
Das kann doch nicht wahr sein, daß ein rappelvoller Bus ohne intakten Ersatzreifen in der Nacht auf eine so lange Strecke geschickt wird! Die meisten scheint es nicht sonderlich zu stören. Sie sitzen oder liegen einfach am Straßenrand. Es ist kalt, und ich friere. Nach einer dreiviertel Stunde kommt endlich aus der anderen Richtung ein Fahrzeug. Unser Fahrer stellt sich auf die Straße und fuchtelt wild mit den Armen. Der Wagen hält, ein Mann steigt ein. Nun heißt es wieder warten, mindestens drei Stunden, da wir ja schon eineinhalb Stunden unterwegs waren.
Beim Gedanken an meine lange Heimfahrt werde ich panisch. Ich nehme meine Tasche und stelle mich entschlossen auf die Fahrbahn, um das nächste Auto anzuhalten. Es dauert nicht lange, bis ich in der Ferne zwei helle Scheinwerfer sehe. Ich winke wie verrückt. Ein Mann gibt mir eine Taschenlampe und sagt, ohne sie sei ich tot. Am Lichtpegel erkenne er, daß es ein Bus sei. Tatsächlich quietschen kurz vor mir die Reifen, und ein Bus der Maraika-Safari hält. Ich erkläre, daß ich so schnell wie möglich nach Nairobi müsse und frage, ob ich mitfahren dürfe. Es scheint ein indisches Unternehmen zu sein, denn im Bus sind die meisten der Fahrgäste Inder. Nachdem ich nochmals den Fahrpreis entrichtet habe, kann ich mitfahren.
Gott sei Dank bin ich mit meinem vielen Geld von der dunklen Straße weg. Ich döse vor mich hin und habe vermutlich schon geschlafen, als es in dem ruhigen Bus wieder laut wird. Verschlafen spähe ich nach draußen in die Finsternis und stelle fest, daß der Bus ebenfalls am Straßenrand steht. Viele Mitfahrer sind schon ausgestiegen und stehen herum. Ich klettere heraus und schaue auf die Reifen. Alle sind okay. Erst jetzt bemerke ich die offene Motorhaube und erfahre, der Keilriemen sei gerissen. »Was passiert jetzt?« will ich von jemandem wissen. Es sei schwierig, wir seien noch gut zwei Stunden von Nairobi entfernt, und die Werkstätten öffneten erst um sieben Uhr. Nur dort könne man Ersatz finden. Damit er meine aufsteigenden Tränen nicht sieht, wende ich mich ab.
In ein und derselben Nacht stecke ich auf dieser verdammten Straße mit zwei verschiedenen Bussen fest! Heute ist bereits der dritte Tag, und ich muß um sieben Uhr morgens den Bus in Nairobi nach Nyahururu erreichen, damit ich am vierten Tag den einzigen Bus nach Maralal erwische, sonst muß ich damit rechnen, daß der Kikuyu mein reserviertes Auto weiterverkauft. Ich bin verzweifelt über so viel Pech, das mir ausgerechnet dann passiert, wenn jede Stunde zählt. Laufend hämmert es in meinem Kopf: Ich muß Nairobi vor dem Morgen erreichen!
Zwei Pkws fahren vorbei, doch vor
Weitere Kostenlose Bücher