Die Weisse Massai
genähte Stoffsäcke entgegen. Anna beginnt mit dem Abfüllen von Maismehl. Damit nicht zuviel daneben fällt, haben wir aus Karton eine Art Schaufel gefertigt. Nun fülle ich auch Zucker oder Maismehl ab. Die meisten legen einfach Geld auf die Theke und wollen dafür verschiedene Artikel. Das erfordert schnelles Rechnen.
Der erste große Maissack ist in einer knappen Stunde verkauft, der Zucker zur Hälfte. Ich bin froh, daß ich vorher alle Preise an die Artikel geschrieben habe. Dennoch herrscht ein heilloses Durcheinander. Die Schachtel, die als Kasse dient, quillt über, als wir am Abend fast 600 kg Maismehl, 200 kg Zucker und diverse andere Artikel verkauft haben. Als es zu dämmern beginnt, möchten wir schließen, doch es kommt noch das eine oder andere Kind und will Zucker oder Mais für das Abendessen. Um sieben Uhr machen wir endlich zu. Ich kann mich fast nicht mehr auf den Beinen halten und meine Arme kaum bewegen. Anna geht ebenfalls müde und erschöpft nach Hause.
Auf der einen Seite war es heute ein Riesenerfolg, andererseits gibt mir dieser Ansturm zu denken. Morgen wird das von früh bis spät so weitergehen. Waschen muß ich mich auch wieder einmal am River. Doch wann?
Um acht sind wir wieder im Laden, und Anna wartet bereits. Das Geschäft läuft langsam an, doch nach neun ist der Laden bis zum Nachmittag gerammelt voll. Die Kästen mit Mineralwasser, Cola, Fanta und Sprite leeren sich schnell. Zu lange mußte man hier darauf verzichten.
Viele der Krieger oder Boys stehen stundenlang einfach im oder vor dem Laden, um sich mit jemandem zu unterhalten. Die Frauen und Mädchen sitzen im Schatten des Shops. Auch die Frau des Veterinärs, der Arzt und der Buschlehrer kommen und kaufen kiloweise Kartoffeln und Früchte. Alle freuen sich über den tollen Laden. Natürlich stelle ich schon jetzt fest, daß vieles fehlt.
Lketinga ist die meiste Zeit bei uns und unterhält sich mit Leuten oder verkauft die einfachen Sachen, wie Seifen oder Omo. Er hilft, so gut es geht. Mama kommt heute zum erstenmal seit langem ins Dorf, um unseren Shop zu besichtigen.
Am Ende des zweiten Tages beherrsche ich schon alle Zahlen in der Maa-Sprache. Ich habe eine Tabelle erstellt, von der wir den Preis für die verschiedenen Mengen von Mais oder Zucker direkt ablesen können, was das Ausrechnen wesentlich erleichtert. Auch an diesem Tag arbeiten wir durch und schleppen uns müde nach Hause. Natürlich konnten wir wieder keine warme Mahlzeit zu uns nehmen, was in meinem Zustand nicht sinnvoll ist. Mein Rücken schmerzt vom ständigen Bücken. Allein heute haben wir acht Sack Mais und fast 300 kg Zucker abgewogen und verkauft.
Mama kocht für mich Maismehl mit etwas Fleisch, und ich bespreche mit Lketinga die unhaltbare Situation. Anna und ich brauchen einfach eine Ruhepause, um zu essen und um uns zu waschen. Wir entscheiden, ab morgen den Laden von 12 bis 14 Uhr zu schließen. Auch Anna ist froh über die neue Regelung. Wir bringen vierzig Liter Wasser in den Shop, damit ich mich im hinteren Teil wenigstens waschen kann.
Allmählich schwinden die Früchte und das Gemüse. Sogar vom teuren Reis ist nichts mehr da. Für uns habe ich lediglich drei Kilogramm nach Hause gebracht. Giuliani und Roberto schauen an diesem Tag das erste Mal vorbei und sprechen ihre Bewunderung aus, was mir gut tut. Ich erkundige mich, ob ich das eingenommene Geld bei ihnen deponieren kann, weil mir nichts einfällt, wo ich soviel Geld aufbewahren könnte. Giuliani ist einverstanden, und so gehe ich jeden Abend bei der Mission vorbei und gebe ein mit Geld gefülltes Kuvert ab.
Mit den neuen Öffnungszeiten kommen die Leute nicht klar, weil die meisten keine Uhr besitzen. Entweder müssen wir fast gewaltsam schließen, oder es sind so viele Menschen da, daß wir doch durcharbeiten. Nach neun Tagen ist unser Shop fast leer, fünf Maissäcke sind noch da, Zucker gibt es seit zwei Tagen keinen mehr. Also müssen wir wieder nach Maralal fahren. Mit etwas Glück sind wir am dritten Tag mit einem Laster zurück. Anna bleibt im Laden, da ohne Zucker wesentlich weniger Betrieb ist.
In Maralal herrscht ebenfalls Zuckerknappheit. Es werden keine Hundertkilosäcke verkauft, der Nachschub ist noch nicht eingetroffen. Ohne Zucker lohnt es sich nicht, nach Barsaloi zurückzufahren. Als nach drei Tagen endlich Zucker eintrifft, werden die Säcke rationiert vergeben. Statt zwanzig Säcken bekommen wir nur acht. Am fünften Tag können wir wieder mit einem
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