Die Weisse Massai
heute sein Gewehr nicht dabei. Wir sind jetzt sicher achtzig Meter entfernt, doch hören wir ihn immer noch Bäume umknicken. Nachdem wir eine Weile nichts mehr vernehmen, schleicht sich der Wildhüter langsam zur Kurve vor. Er kommt zurück und berichtet, daß der Elefant sein Revier verteidigt und genüßlich auf dem Weg weidet. Links und rechts der Straße lägen kleinere Bäume.
Allmählich wird es finster. Bremsen kleben an uns und stechen übel zu. Außer dem Wildhüter steigt niemand aus. Eine Stunde später ist der Bulle nach wie vor auf dem Weg. Es nervt mich, da wir noch eine weite Strecke vor uns haben und ich die Geröllhalde schwer beladen im Dunkeln überwinden muß. Als sich an unserer Lage nichts ändert, sammelt der Mann große Steine und schleicht wieder zur Kurve. Von dort aus wirft er sie in den dichten Wald, was ein lautes Rascheln und Poltern verursacht. Tatsächlich dauert es nicht lange, und der Elefant verläßt den Weg.
In Barsaloi fahre ich direkt zum Shop und lade im Licht der Scheinwerfer aus. Gott sei Dank helfen mir einige Leute. Anschließend gehe ich zu unserer Manyatta. Einige Zeit später kommt der Nachbarsbursche und berichtet, er habe in der Ferne zwei Lichter gesehen. Auch der ältere Bruder hält Ausschau. Jetzt sind alle sehr gespannt. Unser Lastwagen kommt, ein Samburu-Laster!
Mit dem Bruder gehe ich in den Shop, um dort zu warten. Der Veterinär erscheint ebenfalls und bringt aus seiner Blockhütte eine Petroleumlampe mit. Wir stellen sie auf die Theke, und sofort ist der Shop heimelig erhellt. Ich überlege, wo wir was abladen und aufstellen. Immer mehr Menschen schleichen um den Shop herum und warten auf den Lori.
Endlich fährt er mit dröhnendem Lärm vor. Es ist für mich ein überwältigender Augenblick und gleichzeitig überkommt mich ein Glücksgefühl bei dem Gedanken, daß nun in Barsaloi ein Shop steht, der immer Eßbares anbieten kann. Nun muß niemand mehr hungern, weil es genug zu kaufen gibt. Lketinga steigt stolz aus dem Laster und begrüßt einige, darunter auch den Wildhüter. Entsetzt hört er sich dessen Erzählung an, kommt dann aber lachend auf mich zu und fragt: »Hello, wife, really you have seen an elefant?« »Yes, sure!« Er faßt sich an den Kopf: »Crazy, this is very dangerous, really Corinne, very dangerous!« »Yes, I know, but now we are okay«, erwidere ich und schaue, wer abladen kann.
Es wird verhandelt, und wir bestimmen drei Männer, die auch bei den Somalis damit gelegentlich Geld verdienen. Zuerst werden die Kartoffel- und Reissäcke verstaut, und der hintere Raum, der als Lager dienen soll, mit Mais- und Zuckersäcken gefüllt. Die restlichen Waren werden im Laden gestapelt.
Es herrscht rege Betriebsamkeit. Nach einer halben Stunde ist der Lastwagen leer und tritt in der stockfinsteren Nacht den Heimweg nach Maralal an. Zwischen Omo und Teeschachteln stehen wir in einem totalen Chaos. Die ersten Kunden erscheinen und wollen Zucker kaufen. Doch ich verweigere den Verkauf, weil es viel zu spät ist und wir erst einräumen müssen. Wir schließen den Laden ab und gehen zu unserer Manyatta.
Wie gewohnt stehen wir am Morgen auf und sitzen mit den Tieren in der Sonne, als einige Frauen auf unsere Manyatta zukommen. Lketinga fragt sie, was los sei. Wann wir denn den Shop öffnen, wollen sie wissen. Lketinga will gleich los, doch ich sage ihm, er solle ausrichten, vor Mittag verkaufe ich nichts, weil zuerst ausgepackt werden muß und Anna noch nicht da ist.
Anna hat ein Auge dafür, wie die Waren sinnvoll aufgestellt werden. Nach zwei Stunden sieht der Shop fast perfekt aus. Vor dem Geschäft hocken sicher fünfzig Frauen und Männer und warten auf die Eröffnung. Der Maschendraht macht sich gut. Unter der Theke habe ich Kartoffeln, Kohl, Karotten, Zwiebeln, Orangen und Mangos ausgestellt. An einer Schnur von der Decke hängen Bananenstauden. Hinten in den Gestellen reihen sich die verschiedenen Größen von Omo, Kimbo-Fettbüchsen, Teepulver, Toilettenpapier, das später erstaunlichen Absatz findet, diverse Seifen, Süßigkeiten jeder Art sowie Streichhölzer. Neben die Waage stellen wir je einen Sack mit Zucker, Maismehl und Reis. Wir putzen nochmal den Boden und öffnen das Ladentor.
Für einen kurzen Moment blendet uns hereinflutendes Sonnenlicht, dann stürmen die Frauen herein. Wie eine Woge kommen mir die farbenprächtig geschmückten Menschen entgegen. Der Laden ist zum Bersten voll. Alle strecken uns ihren Kanga oder von Hand
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