Die Weisse Massai
Lastwagen abfahren.
In den Tagen in Maralal habe ich einige neue Sachen besorgt, die begehrten Kangas, Kautabak für die Alten und sogar zwanzig Paar Reifen-Sandalen in jeder Größe. Leider reicht das verdiente Geld nicht aus für die Neuanschaffungen. Ich brauche Geld von der Bank und nehme mir vor, den Kilopreis für Mais und Zucker etwas zu erhöhen, obwohl er staatlich vorgeschrieben ist. Aber bei den hohen Transportkosten ist es unmöglich, denselben Preis wie in Maralal zu verlangen. Zusätzlich müssen wir das 200-Liter-Faß mit Benzin auffüllen.
Diesmal läßt mich Lketinga nicht allein mit dem Landrover fahren, weil er befürchtet, erneut auf Elefanten oder Büffel zu stoßen. Doch wer soll den Lori begleiten? Lketinga schickt einen Bekannten mit, dem er glaubt vertrauen zu können. Gegen Mittag fahren wir los und erreichen Barsaloi ohne Schwierigkeiten. Es ist wirklich merkwürdig: Wenn mein Mann dabei ist, läuft alles problemlos.
Im Shop herrscht absolute Ruhe. Anna kommt uns gelangweilt entgegen. In den fünf Tagen ist auch der Rest Maismehl verkauft worden. Nur ab und zu erscheint jemand, um Teepulver oder Omo zu erwerben. Die Kasse ist halb voll mit Scheinen, doch kontrollieren kann ich es kaum, da ja noch einiges im Lager ist. Ich vertraue Anna.
Wir kehren in unsere Manyatta zurück, in der zwei Krieger friedlich schlafen. Ich bin nicht besonders erbaut, meine Manyatta besetzt vorzufinden, doch weiß ich, daß dies das Gastrecht gebietet. Alle Männer, die zur Altersgruppe von Lketinga gehören, haben das Recht, in unserer Hütte auszuruhen oder zu übernachten. Auch Chai muß ich ihnen anbieten. Während ich das Feuer entfache, unterhalten sich die drei Männer. Lketinga übersetzt mir, daß in Sitedi einem Krieger der Oberschenkel von einem Büffel aufgeschlitzt wurde. Er muß sofort mit dem Auto hin und ihn zum Arzt bringen. Ich bleibe da, weil der Lori in den nächsten zwei Stunden eintreffen muß. Mit ungutem Gefühl gebe ich meinem Mann den Autoschlüssel. Es ist die gleiche Strecke, auf der er vor einem Jahr den Wagen demolierte.
Ich gehe hinunter zu Anna, und wir bringen den Shop in Ordnung, damit alles bereit ist zum Abladen. Gegen Abend zünden wir die zwei neuen Petroleumlampen an. Zudem habe ich einen einfachen Holzkohle-Kocher besorgt, damit ich gelegentlich im hinteren Teil des Shops Tee oder Essen kochen kann.
Endlich kommt der Lori. Bald stehen wieder eine Menge Leute um den Shop. Das Abladen ist schnell erledigt. Diesmal zähle ich die Säcke mit, um sicher zu sein, ob alles dabei ist, doch wie sich herausstellt, ist mein Mißtrauen nicht angebracht. Als die Ware abgeladen ist, herrscht Chaos. Überall türmen sich Kartons, die wir noch ausräumen müssen.
Plötzlich steht mein Mann im Shop. Ich möchte wissen, ob alles in Ordnung ist. »No problem, Corinne, but this man has a big problem«, ist seine Antwort. Er hat den Verwundeten zum Buscharzt gebracht, der das Bein gesäubert und die 20 cm lange Wunde ohne Narkose genäht hat. Jetzt sei er bei uns in der Manyatta, weil er jeden Tag zur Kontrolle muß.
Lketinga hat in Maralal kiloweise Miraa eingekauft, das er zu guten Preisen weiterverkauft. Die ganzen Townpeople kommen wegen des Krautes, sogar zwei Somalis betreten zum ersten Mal unseren Shop. Auch sie sind scharf auf Miraa. Mein Mann schaut sie böse an und fragt herablassend, was sie hier wollen. Mir ist sein Verhalten peinlich, weil die beiden freundlich sind und sie durch unser Business schon genug Schaden haben. Sie bekommen ihr Miraa und gehen. Gegen 21 Uhr ist der Shop soweit, daß wir morgen den Verkauf weiterführen können.
Als ich in meine Hütte krieche, liegt dort ein stämmiger Krieger mit einem dick verbundenen Bein. Er stöhnt leise vor sich hin. Ich frage, wie es ihm geht. Okay, ist seine Antwort. Doch das heißt hier noch lange nichts. Kein Samburu würde jemals das Gegenteil behaupten, auch wenn er kurz vor dem letzten Atemzug steht. Er schwitzt sehr, und es riecht stark nach einem Gemisch aus Schweiß und Jod. Als kurze Zeit später Lketinga in die Hütte kommt, hat er zwei Bündel Miraa dabei. Er spricht den Verletzten an, doch die Antwort kommt nur stockend. Vermutlich hat der Mann hohes Fieber. Nach einigem Hin und Her darf ich seine Temperatur messen. Das Fieberthermometer zeigt 40,5°C. Ich gebe dem Krieger fiebersenkende Medikamente, und kurze Zeit später schläft er ein. In dieser Nacht schlafe ich schlecht. Mein Mann kaut die ganze Nacht
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