Die Weisse Massai
freundlicher Beamter. Wir füllen Formulare aus und sollen in drei Tagen wieder vorbeikommen. Da wir für den Laden dringend eine Waage benötigen, machen wir uns auf den Weg nach Nyahururu. Außerdem möchte ich Maschendraht kaufen, um im Verkaufsregal die Ware besser ausstellen zu können, denn ich will den Leuten Kartoffeln, Karotten, Orangen, Kabis, Bananen und anderes anbieten.
In Nyahururu finden wir keine Waage. Die seien sehr teuer und daher nur in Nairobi erhältlich, erklärt uns der einzige Eisenwarenhändler. Lketinga ist nicht erfreut, aber wir brauchen die Waage unbedingt, und so fahren wir mit dem Bus in das verhaßte Nairobi. Dort werden sie überall angeboten, wobei die Preise extrem schwanken. Schließlich erstehen wir beim billigsten Anbieter für 350 Franken eine schwere Waage mit den dazugehörenden Gewichten und fahren nach Maralal zurück. Hier klappern wir alle Großhändler und Märkte ab, um die jeweils günstigsten Preise für die einzelnen Waren zu erfragen. Mein Mann findet alles zu teuer, doch ich bin überzeugt, mit geschicktem Verhandeln die gleichen Preise wie die Somalis zu bekommen. Der größte Händler bietet mir an, einen Lastwagen zu organisieren, der die Ware nach Barsaloi bringt.
Guten Mutes gehen wir am dritten Tag ins Office. Der freundliche Officer erklärt uns, es sei nur ein kleines Problem aufgetaucht. Wir müßten ein Schreiben vom Veterinär in Barsaloi bringen, daß der Shop sauber sei, und sofern wir auch das Portrait vom Staatspräsidenten vorlegen, das in jedem Geschäft hängen muß, wird er uns die Lizenz geben. Lketinga will schimpfen, doch ich halte ihn zurück. Ohnehin will ich erst nach Hause, um den Shopvertrag schriftlich zu machen und den Laden so herzurichten, daß die Ware sinnvoll aufgebaut werden kann. Außerdem muß eine Verkaufshilfe gefunden werden, weil ich die Sprache zu wenig beherrsche und mein Mann nicht rechnen kann.
Abends besuchen wir Sophia und ihren Freund. Sie ist aus Italien zurück, und wir haben uns viel zu erzählen. Nebenbei vertraut sie mir an, daß sie im dritten Monat schwanger ist. Über diese Nachricht freue ich mich sehr, weil ich mittlerweile glaube, in der gleichen Situation zu sein. Nur habe ich nicht die hundertprozentige Gewißheit wie sie. Im Gegensatz zu mir muß sich Sophia jeden Morgen übergeben. Über mein geschäftliches Vorhaben staunt sie sehr. Aber mit dem Wagen muß ich endlich Geld verdienen, weil ich nicht immer nur Tausende von Franken ausgeben kann.
In Barsaloi wird der Vertrag gemacht, wir sind glückliche Ladenbesitzer. Tagelang putze ich die verstaubten Gestelle und nagle den Maschendraht an den Tresen. Im hinteren Teil räume ich alte Bretter heraus. Plötzlich höre ich ein Zischen und sehe gerade noch einen grünen Schlangenkörper unter dem restlichen Holz verschwinden. Voller Panik renne ich hinaus und schreie: »Snake, snake!« Einige Männer schlendern herbei, doch als sie merken, um was es geht, traut sich keiner in den Raum.
Nach kurzer Zeit stehen etwa sechs Personen herum, aber keiner tut etwas, bis ein großer Turkana-Mann mit einem langen Stock kommt. Vorsichtig geht er hinein und stochert in dem Holzhaufen herum. Holz für Holz stößt er weg, bis die etwa einen Meter lange Schlange hervorschnellt. Wie wild versucht der Turkana, sie zu erschlagen, doch trotz der Schläge kriecht sie schnell durch den Ausgang auf uns zu. Blitzschnell stößt ein Samburu-Boy seinen Speer in das gefährliche Tier. Erst als ich erfahre, wie gefährlich die Situation war, zittern meine Knie.
Mein Mann kommt etwa eine Stunde später. Er war beim Veterinär, der ihm das Schreiben gab, aber mit der Auflage, innerhalb eines Monats ein Plumpsklo außerhalb des Shops zu errichten. Auch das noch! Es melden sich ein paar Freiwillige, vor allem Turkana-Leute, die bereit sind, das drei Meter tiefe Loch zu graben und den Rest zu erstellen. Inklusive Material kostet dies fast 600 Franken. Das Zahlen nimmt kein Ende, und ich hoffe, daß bald Geld verdient wird.
Pater Giuliani und Roberto berichte ich von meinem Vorhaben, ein Geschäft zu eröffnen. Sie sind begeistert, weil hier das halbe Jahr kein Mais erhältlich ist. Meine Schwangerschaft erwähne ich nicht, auch in keinem Brief in die Schweiz. Obwohl ich mich sehr freue, weiß ich, wie schnell man hier krank werden kann, und ich möchte niemanden beunruhigen.
Endlich kommt unser großer Tag. Wir fahren los, um mit einem vollen Lastwagen zurückzukommen. Eine
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