Die Weisse Massai
ganz so ernst. Wir schlafen zufrieden ein.
Der nächste Tag ist ein Sonntag. Unser Shop ist geschlossen, und wir beschließen, eine Messe von Giuliani anzuhören. Die kleine Kirche ist brechend voll. Es sind fast nur Frauen und Kinder da. Einige Männer, wie der Veterinär mit Familie, der Arzt und der Buschlehrer sitzen auf einer Seite. Giuliani liest die Messe in Suaheli, und der Lehrer übersetzt in Samburu. Zwischendurch singen und trommeln die Frauen und Kinder. Im großen und ganzen läuft alles fröhlich ab. Lketinga ist der einzige Krieger, und dieser Kirchenbesuch ist sein erster und letzter zugleich.
Den Nachmittag verbringen wir gemeinsam am River. Ich wasche Kleider, und er putzt unser Auto. Endlich haben wir genügend Zeit für das Ritual des gegenseitigen Waschens. Es ist wie früher, und mit Wehmut denke ich an die Zeit zurück. Natürlich gefällt mir der Shop, unser Essen ist abwechslungsreicher geworden. Doch wir haben nicht mehr soviel Zeit für uns. Alles ist hektischer geworden. Trotzdem freue ich mich nach jedem Sonntag auf den Shop. Ich habe mich mit den Town-Frauen und einem Teil ihrer Männer angefreundet, die etwas Englisch sprechen. Langsam weiß ich, wer zu wem gehört.
Anna ist mir inzwischen ans Herz gewachsen. Seit ein paar Tagen hockt ihr Mann im Shop, da er Urlaub hat. Mich stört es nicht, im Gegensatz zu Lketinga. Bei jedem Soda, das Annas Mann trinkt, fragt er auf peinliche Weise nach, ob Anna dies verrechnet.
Es ist Zeit, erneut Zucker zu organisieren. Die Säcke sind seit ein paar Tagen leer, und deshalb kommen weniger Leute. Auch stehen die Schulferien an. So kann ich in Maralal Zucker besorgen und James nach Hause holen. Lketinga bleibt im Shop und will Anna helfen, denn vom Maismehl haben wir noch etwa zwanzig Säcke, die wir verkaufen müssen, damit das Geld für eine Lastwagenfahrt reicht.
Ich nehme den bewährten Helfer mit. Er arbeitet gut und kann mir die schweren Säcke in den Landrover wuchten. Wie üblich wollen zwanzig andere Leute mit. Weil es jedesmal Ärger gibt, beschließe ich, etwas zu verlangen, damit ich die Benzinkosten nicht allein tragen muß. Sicher kommen dann nur diejenigen mit, die wirklich einen Grund haben. Die Menschentraube löst sich bei meiner Mitteilung rasch auf, übrig bleiben fünf Personen, die den geforderten Betrag bezahlen. Deshalb ist der Landrover nicht überfüllt. Wir fahren früh los, weil ich abends zurück sein will. Mit von der Partie ist der Wildhüter, der diesmal ebenfalls zahlen muß.
In Maralal steigen alle aus, und ich fahre zur Schule hinunter. Der Headmaster erklärt mir, die Schüler hätten erst ab 16 Uhr frei. Ich vereinbare mit ihm, drei bis vier Schüler nach Barsaloi mitzunehmen. Mein Helfer und ich besorgen in der Zwischenzeit drei Säcke Zucker, etwas Früchte und Gemüse. Mehr kann ich nicht laden, wenn ich die Burschen abholen will. Es bleiben mir zwei Stunden, und ich nutze die Zeit, um Sophia zu besuchen.
Sophia ist überglücklich, mich zu sehen. Im Gegensatz zu mir hat sie einige Kilo zugenommen, und ihr geht es gut. Sie kocht mir Spaghetti, ein Festessen nach so langer Zeit ohne Teigwaren. Kein Wunder, daß sie so rapide zunimmt! Ihr Rasta-Freund taucht kurz auf und verschwindet mit ein paar Freunden. Sophia beschwert sich, daß er sie seit der Schwangerschaft fast nicht mehr anschaut. Arbeiten will er auch nicht und verbraucht statt dessen ihr Geld für Bier und Freunde. Trotz der Bequemlichkeiten, die sie sich zugelegt hat, beneide ich sie nicht. Im Gegenteil: An Sophias Beispiel wird mir bewußt, wieviel Lketinga leistet.
Ich verabschiede mich mit dem Versprechen, jedesmal wenn ich in Maralal bin, kurz vorbeizukommen. Meinen Helfer und den Wildhüter hole ich beim vereinbarten Treffpunkt ab. Wir fahren zur Schule, und drei Burschen stehen bereit. James freut sich sehr, daß er abgeholt wird. Wir brechen sofort auf, weil wir vor der Dunkelheit zuhause sein wollen.
Dschungelpfade
Der Wagen schlängelt sich die rote, staubige Straße hoch. Kurz vor der S-Kurve müssen der Wildhüter und ich lachen, denn wir denken beide an unser Elefantenerlebnis. Hinten im Wagen quatschen und lachen die Burschen. Kurz vor dem steilen Schräghang will ich den Vierrad einschalten. Ich bremse und bremse nochmal, doch der Wagen fährt einfach weiter auf den Todeshang zu. Entsetzt schreie ich: »No brakes!« Gleichzeitig sehe ich, rechts geht nichts, da unmittelbar neben dem Weg die Schlucht beginnt, die von den Bäumen
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