Die Weiße Ordnung
höheren Stockwerken hinauflief.
Cerryl sah den Wachmann an, der auf der rechten Seite stand. »Hertyl … die Frau, die gerade hinaufgegangen ist … kennt Ihr Sie?«
»Junger Ser, es gehört nicht zu meinen Aufgaben, Frauen wie sie zu kennen.«
Cerryl verstand das Zwinkern des jungen Wachmanns und grinste. »Zu meinen auch nicht … aber vielleicht kennt Ihr ja zufällig ihren Namen.«
»Ich habe zufällig gehört, dass sie Leyladin heißt. Sie ist die Tochter eines Händlers, manche behaupten auch, sie sei eine Heilerin.« Hertyl nickte zu den Stufen. »Ich frage lieber nicht, wem sie einen Besuch abstattet.«
Cerryl sagte nichts darauf.
Der Ältere der Wachposten räusperte sich.
Cerryl verstand das Zeichen. »Danke.« Er sah auf die Karte, die er in Händen hielt, und dann zu den zwei Wächtern. Er nickte beiden kurz zu. »Ich gehe jetzt besser. Guten Tag.«
»Guten Tag, junger Ser.«
Cerryl ging schnell und nachdenklich zurück zu Jesleks Gemächern.
Das rotblonde Haar – es konnte keine andere sein. Aber was hatte sie in den Gildehallen der Magier zu suchen? Nur eine Heilerin? Oder etwas anderes? Ihm fiel ein, was Benthann gesagt hatte – Sex? War sie die Geliebte oder die zukünftige Gemahlin eines Weißen Magiers? Oder eines der älteren Magier?
Seine Finger krümmten sich zusammen, bis seine Hände zu Fäusten geworden waren. Cerryl atmete tief ein und versuchte sich zu entspannen. Er hatte kein Anrecht auf sie. Er kannte sie nicht einmal und sie wusste sicherlich nicht, dass es ihn überhaupt gab. Warum löste sie also bei ihm eine derart heftige Reaktion aus?
Außerdem verlangte Jeslek nach der Karte und Cerryl hatte es gewagt, nicht sofort zu ihm zu eilen; stattdessen war er der Frau – Leyladin, nicht einfach eine Frau – bis zum Weißen Turm nachgejagt. Wieder eine Prüfung? Hatte Jeslek sie geschickt?
Er schauderte und verließ die Eingangshalle. Eilig lief er über den Hof.
»Warum warst du so in Eile?« Lyasa stand beim Springbrunnen und hatte offenbar auf ihn gewartet. Ihre olivbraunen Augen durchbohrten ihn.
»Ich bin ganz nervös …« Das entsprach ohne Zweifel der Wahrheit. Er deutete auf die Karte. »Jeslek will sie sehen und ich bin vor lauter Aufregung in die falsche Richtung gelaufen.«
»In mehrerlei Hinsicht.« Lyasa schüttelte den Kopf und lächelte amüsiert und spöttisch. »Sie ist eine Heilerschülerin oder so etwas. Du bist ein Weißer in Ausbildung. Willst du euch beide umbringen? Schwarz und Weiß kann sich nicht vermischen.«
»Das wusste ich nicht.« Cerryl war enttäuscht, doch eine seltsame Hochstimmung folgte der Enttäuschung. Leyladin … wahrscheinlich handelte es sich doch nicht um eine von Jesleks Prüfungen.
»Das leuchtet doch ein. Auch damit müssen wir leben.« Lyasa klopfte Cerryl auf die Schulter. »Zumindest schaust du Anya nicht so hinterher wie Faltar.«
Cerryl wusste nicht, was er sagen sollte.
»Du verstehst das.« Lyasa sprach leise und sachlich. »Und jetzt … wenn Jeslek schon nach dir gefragt hat, beeilst du dich besser. Er ist nicht sehr geduldig.«
»Ja … du hast Recht.«
Mit einem nachsichtigen Lächeln berührte Lyasa Cerryl noch einmal an der Schulter und sah ihm nach, wie er über den Hof lief und in die Halle. Wieder erreichte er keuchend die Rückseite des Gebäudes.
Gostar, der Wachmann vor Jesleks Gemächern, nickte, als Cerryl auf ihn zuhastete. Cerryl schlüpfte an dem bewaffneten Wachmann vorbei und klopfte an die Tür. »Cerryl, Ser, wie befohlen.«
»Tritt ein.« Jesleks Stimme dröhnte durch die geschlossene Eichentür.
Cerryl öffnete die Tür, schloss sie hinter sich und verbeugte sich. »Hier habe ich die Karte, Ser, um die Ihr mich ersucht habt.«
»Ist auch an der Zeit.«
»Ja, Ser.« Cerryl verbeugte sich noch einmal.
»Kesrik, trag das Glas zum kleinen Tisch hinüber.« Jeslek nickte zuerst dem älteren Magierschüler und dann Cerryl zu. »Breite sie auf dem Tisch aus.«
Als Kesrik das Glas weggestellt hatte, rollte Cerryl das Pergament auf dem Tisch aus, dann trat er zurück, damit Jeslek die Karte studieren konnte. Mit zusammengekniffenen Augen betrachtete der Magier Punkt für Punkt.
»Tellura … Hierna … Quessa … Kyphrien … hmmm.«
Bei dem ›hmmm‹ atmete Cerryl langsam aus. Er versucht nur, dich aus der Fassung zu bringen. Bleib ruhig, du musst ruhig bleiben.
Kesrik grinste nur, während Jeslek sich weiter in die Karte vertiefte.
Nach einer Zeit, die Cerryl wie ein Achttag
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