Die Weiße Ordnung
das Gestell in der Ecke.
Die Fragen mussten eben noch warten.
Cerryl wusch sich und ging dann die Hauptstraße entlang in Richtung Fasses Werkstatt. Jeslek hatte ihm schließlich nicht verboten, mit anderen zu sprechen, die auch etwas wissen könnten. Wenn Cerryl sich recht erinnerte, stammte Fasse nämlich aus Gallos.
Mitten am Nachmittag rumpelte eine ganze Reihe von Wagen über die weißen Steine der Straße. Glocken erklangen und Cerryl lächelte, als er den weißen Abfallwagen hinter dem Wagen des Küfers erblickte.
Hinter dem Marktplatz, der hauptsächlich von Frauen bevölkert wurde, erreichte er die Straße der Juweliere, wo am kühlen Nachmittag die meisten Türen – bis auf eine – geschlossen waren. Als Cerryl an der grün lackierten Tür vorbeiging, warf er einen Blick hinein. Ein Goldschmied hielt eine glitzernde Halskette für eine in Hellblau gekleidete Frau ins Licht. Cerryl konnte nicht einmal schätzen, wie viel Gold in der Kette verarbeitet war. Er wusste nur, dass es viel mehr sein musste, als er je in seinem Leben sehen würde, auch wenn er ein vollwertiger Magier werden würde. Denn trotz all der Merkwürdigkeiten in den Gildehallen der Magier schien die Liebe zum Gold die Magier nicht zu plagen.
Ein Wachmann in einer blassblauen Uniform stand neben der Tür und ein anderer fast zwischen der Frau und dem Goldschmied. Cerryl nickte dem Wachmann zu, der keine Miene verzog, und ging weiter, vorbei an den anderen Silber- und Goldschmieden und der Getreidebörse und gelangte schließlich zum Platz der Handwerker.
Die Tür zu Fasses Werkstatt stand angelehnt und Cerryl schlüpfte hinein. Fasse stand mit einem Poliertuch in der Hand hinter einer Truhe aus Goldeiche.
»Ja, junger Ser?« Der dünne Schnurrbart zuckte, als sich der Tischler Cerryl zuwandte.
Cerryl kam sich komisch vor. Ein Handwerksmeister – auf dessen Dachboden er schon geschlafen hatte, damals, als er noch kaum eine Hand voll Kupferlinge sein Eigen genannt hatte – redete ihn nun mit ›Ser‹ an.
»Fasse, mein Name ist Cerryl, ich habe schon einmal auf Eurem Dachboden geschlafen. Jetzt arbeite ich für einen höheren Magier …« Wie sonst hätte er Jeslek nennen können? »… und ich dachte, Ihr könnt mir vielleicht helfen.«
»Junger Ser, Ihr kommt mir in der Tat bekannt vor.« Fasse runzelte die Stirn, als er hinter der Goldeichentruhe hervortrat. »Aber wie sollte ich Euch helfen können?«
»Ich arbeite an einer Karte und da gibt es einige Städte in Gallos … Vielleicht könnt Ihr mir sagen, wo Quessa liegt?«
Fasse kratzte sich am Hinterkopf und schaute währenddessen Cerryl von der Seite an. »Hmmmm … tja … Ich war einmal dort, als Junge, aber wie … wie soll ich sagen … erklären … das ist schon viele Jahre her.«
Cerryl wartete.
»Ich erinnere mich nur, dass es drei Tagesritte westlich von Hierna liegt, zwei Tage östlich der Westhörner, die ersten Hügel, da liegt Quessa.«
Cerryl schluckte. »Hmmm … Wo Tellura liegt, weiß ich, aber Hierna?«
Fasse zog an einem Ende seines dünnen Schnurrbarts. »In Tellura bin ich noch nie gewesen, doch ich habe gehört, dass es südöstlich von Linspros und auch südöstlich von Hierna liegt.« Mit diesen Worten hängte er das Poliertuch an einen hölzernen Haken neben einem der kleineren Holzlagergestelle. »Und weil ich noch nie dort gewesen bin, weiß ich auch nicht, wie man von einem Ort zum anderen kommt. Oder wie lange man für eine solche Reise braucht.«
»Kennt Ihr jemanden in Fairhaven, der das vielleicht weiß?«
Fasse zog nun am anderen Ende seines Schnurrbarts und kratzte sich mit der anderen Hand am Kopf. Dann schürzte er die Lippen. »Lwelter, der Töpfer – er könnte es wissen, seine Gemahlin stammte aus Analeria und sie sind durch ganz Kyphros gezogen … aber vielleicht liegt Hierna auch zu weit im Norden für die Hirten.« Fasse zuckte die Schultern. »Mehr weiß ich auch nicht.«
»Lwelter … wo finde ich ihn?«
»Kennt Ihr Arkos, den Gerber? Ihr müsst … äh …« Fasse schluckte.
Cerryl überhörte es. »Ich kenne Arkos. Wohnt Lwelter in der Nähe?«
»Zwei Werkstätten weiter in Richtung des großen Platzes. Ich glaube zumindest, dass es zwei sind. Ihr werdet es finden, junger Ser.«
»Danke, Fasse.« Cerryl nickte und verließ die Tischlerwerkstatt. Auf dem Weg zum Gerber wiederholte Cerryl das, was Fasse gesagt hatte, so lange, bis er sich die Worte sorgfältig eingeprägt hatte.
Cerryl wusste noch, dass die
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