Die Weiße Ordnung
metallisch grau und sein gepflegter Bart trug dieselbe Farbe wie das kurz geschnittene Haar. Sein Gesicht leuchtete rot, als hätte ihn die Sonne verbrannt. Ein goldenes Amulett hing um seinen Hals und am Kragen steckte eine Nadel, die einem goldenen Kometen glich. »Ihr könnt gehen, Kinowin. Wartet draußen, bis ich Euch rufen lasse.«
Kinowin verbeugte sich. Die schwere Eichentür wurde zugeschlagen.
Braune Augen mit roten Punkten studierten Cerryl eine Zeit lang.
Cerryl stand da und wartete, er fühlte, dass der Magier noch keine Anstalten machte, Chaos zu bündeln – bis jetzt jedenfalls. Bei dem Raum handelte es sich um ein Schlaf- und Arbeitszimmer: ein großes Zimmer, das einen Schreibtisch und den dazu passenden Stuhl beherbergte, einige weiße Holzschränke mit ledergebundenen Büchern darin, einen Tisch, in dessen Mitte sich ein rundes Spähglas befand, und vier Stühle darum herum. Am anderen Ende des Raumes, hinter dem Magier, sah Cerryl eine Nische, die größer war als seine Kammer bei Tellis. Darin standen ein doppelt breites Bett und ein Waschtisch. An der Steinmauer links vom Magier lehnte ein kleiner Tisch, auf dem eine große, bronzene Handglocke glänzte.
»Du wirst mir jetzt einige Fragen beantworten.«
»Ja, Ser.«
»Wo wurdest du geboren?«
»Ich weiß nicht, Ser.« Das war die Wahrheit. Cerryl hatte nicht die geringste Ahnung, wo er geboren worden war.
»Haben deine Eltern dir das nicht gesagt?« Der Magier starrte Cerryl an, als hielte er den jungen Mann für einen kompletten Narren.
»Sie starben, als ich noch sehr jung war. Meine Tante und mein Onkel erzählten mir, dass ich geboren wurde, während meine Eltern auf dem Weg nach Hrisbarg waren.«
»Du hast also keine Ahnung, wo dein Geburtsort liegt?«
»Er muss innerhalb einer Siebentagesreise von Hrisbarg oder Lydiar liegen; meine Tante und mein Onkel stammen aus Montgren.«
Der Magier seufzte. »Kinowin sagte, du kannst mit Chaos umgehen. Ist das wahr?«
»Ich weiß nicht, Ser. Ich habe einst in ein Glas gesehen und jemand in Weiß hat es zerbrochen.« Das kam der Wahrheit sehr nahe.
Der grauhaarige Mann legte seine Stirn in Falten und mit der rechten Hand fingerte er an dem Amulett auf seiner Brust herum. »Du erwartest von mir, dass ich das glaube?«
»Es fühlte sich zumindest so an, als wäre das Glas zerbrochen«, korrigierte sich Cerryl, »aber es brach nicht wirklich. Mein Kopf schmerzte noch lange danach.« Das stimmte wirklich.
»Siehst du … versuch gar nicht, zu lügen. Die Mühe lohnt nicht … für uns beide nicht.«
»Ja, Ser.«
»Du kannst schreiben, nehme ich an?«
»Ja, Ser«, wiederholte Cerryl.
»Die Tempelschrift besser als die Alte Sprache?«
»Nein, Ser. Ich beherrsche die Alte Sprache besser.«
»Gut, dass du es zugibst, aber von Tellis’ Lehrling hatte ich das ohnehin erwartet«, schnaubte der Weiße Magier. »Du weißt, dass niemand außer den Weißen Brüdern die Weißen Feuer heraufbeschwören darf?«
»Ja, Ser. Deshalb wollte ich auch mit dem Glas nichts mehr zu tun haben.«
»Du wusstest nicht, dass du Chaos in deiner Hand hattest?« Die Stimme des Magiers klang ungläubig und verachtend.
»Ich war mir nicht sicher«, gab Cerryl zu. »Ich dachte, das könnte es gewesen sein, aber ich hatte Angst, jemanden zu fragen. Wie auch?«
»Das war sehr klug von dir.« Sterol nickte. »Was hast du noch für dich behalten?«
Cerryl wurde rot.
Der grauhaarige Magier sah ihn erwartungsvoll an.
»Ich glaube … ich sehe manchmal etwas Weißes – es ist eigentlich kein richtiges Sehen – und ich denke, es ist Chaos-Energie.« Cerryl schlug die Augen nieder.
»Warum glaubst du, dass es Chaos-Kräfte sind?«
»Ich weiß nicht, aber das Glas war einmal damit umhüllt und der Magier, der mich herbrachte, hatte einen Augenblick lang diesen Nebel um sich.«
Sterol lachte laut und bellend.
Cerryl wartete – wieder einmal.
»Du hast Glück, Junge. Ich finde Gefallen an dem Gedanken, dir die Gelegenheit zum Lernen zu geben.« Sterol lachte. »Außerdem wird ein verwaister Schreiberlehrling ihnen zeigen, dass sie nicht so allmächtig sind, wie sie immer glauben.« Die durchdringenden Augen hefteten sich auf Cerryl. »Du wirst beobachten und alles für dich behalten, niemandem davon erzählen?«
»Ja, Eure Hoheit.«
»Edler Sterol reicht vollkommen. Eines Tages werde ich dich fragen … wie du über die Gildehallen denkst. Bis dahin wirst du deine Beobachtungen für dich behalten, nur für
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