Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen

Die Weiße Ordnung

Titel: Die Weiße Ordnung Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: L. E. Modesitt
Vom Netzwerk:
holen.«
    Cerryl sah absichtlich nicht zum Hoftor, der einzigen Fluchtmöglichkeit; die Flucht wäre jedoch nur eine Falle. Wahrscheinlich bestand das ganze Leben nur aus Fallen. Er drehte sich zu Tellis, den Besen hielt er noch fest in der Hand. »Mich, Ser?«
    Tellis winkte ihn zu sich.
    Cerryl ging zur Tür und lehnte den Besen an die Wand.
    »Zum Ausstellungsraum«, krächzte Tellis heiser und schob den Lehrling vor sich her in den Raum mit den Schränken und kopierten Büchern.
    Cerryl wandelte wie benommen durch den Hauptraum und die Küche, er wusste, dass Beryal dort stand, doch er nahm sie nicht wahr. Das Gemurmel des Schreibers versuchte er zu überhören.
    »Das hat man davon, wenn man jemandem einen Gefallen tut … steht die Weiße Garde vor meiner Tür.« Tellis schniefte vor Selbstmitleid.
    Im Ausstellungsraum stand ein Magier in Weiß, ein großer, blonder Mann mit zerfurchtem Gesicht und einem purpurroten Mal auf der Wange. Diesen Magier hatte Cerryl noch nie gesehen. »Bist du der Schreiberlehrling?«
    Cerryl verbeugte sich. »Ja, Ser.«
    »Dein Name ist Cerryl?«
    »Ja, Ser.«
    »Du sollst mit mir kommen. Jetzt. Du brauchst nichts mitzunehmen.«
    »Ja, Ser.«
    Der Magier wandte sich an Tellis. »Ihr schuldet ihm nichts. Ihr könnt Euch einen neuen Lehrling suchen, wenn es Euch beliebt. Guten Tag, Schreiber.« Die grauen Augen, die von einem seltsamen Goldschimmer überzogen zu sein schienen, richteten sich auf Cerryl. »Hinaus.«
    »Ja, Ser.« Cerryl wusste, dass es ihm nichts nützte, wenn er wegrennen würde. Jetzt musste er stark bleiben und durfte nicht mehr preisgeben, als sie ohnehin schon über ihn wussten, und er musste sich tadellos benehmen. Er verbeugte sich und öffnete die Tür.
    Vor der Tür standen sechs Gardisten in Weiß und vor ihnen zwei andere weiße Gestalten; sie trugen weiße Tuniken und Hosen wie die Magier, nur zierte ein dünner, roter Streifen die Ärmel der Tuniken.
    Es war bereits heiß und ein leichter Wind wehte weißen Staub durch die Straßen. Cerryl wollte sich die Nase reiben, tat es aber nicht, stattdessen bewegte er Mund und Nasenflügel, um den Juckreiz zu mildern.
    »Du gehst neben mir.« Der Magier lächelte kalt und zupfte etwas Dunkles von seiner weißen Tunika, dann nickte er der Garde und den zwei anderen Weißen zu.
    Alle Läden links und rechts in der Gasse der niederen Handwerker zwischen der Schreiberwerkstatt und dem Platz der Handwerker waren fest verschlossen, so auch die Türen; und das, obwohl die Sonne schon am Himmel strahlte und den Morgen erwärmte.
    Auf der Hauptstraße angekommen – sie gingen flott auf den Platz der Magier und den Weißen Turm zu –, nahm Cerryl mehr Notiz von seiner Umgebung.
    Sie passierten die letzte Werkstatt und ließen den Platz hinter sich. Ein Stallbursche führte einen gesattelten Braunen aus dem Stall zu einem großen, blau gekleideten Mann, der vor der kleinen Herberge stand. Die Satteltaschen waren prall gefüllt und wiesen den Mann als Reisenden aus. Neben dem Stall befand sich das lange Gebäude der Getreidebörse. Nicht eine Kutsche stand davor, obwohl die Fenster und Läden der Börse offen standen und zwei Männer in Braun unter dem Eingangsbogen miteinander redeten.
    Beim Geräusch eines sich nähernden Wagens rückten die Weißen Gardisten näher an Cerryl heran. Glaubten sie, er würde auf den Wagen aufspringen – oder unter die Räder? Der allgegenwärtige feine weiße Staub wirbelte auf, als der braune Wagen, von zwei Pferden gezogen, vorbeirollte. Auf der Ladefläche befand sich ein halbes Dutzend großer Fässer, jedes fast mannshoch; sie waren zusammengebunden. Wer brauchte so große Fässer?
    Mit schweißnasser Stirn überquerte Cerryl die kleine Seitenstraße und lief wieder auf dem Gehsteig in der Straße der Juweliere. Die Hälfte der eisenbeschlagenen Türen stand offen und in der Luft lag der beißende Geruch von Öl, heißem Metall und anderen verbrannten Stoffen. Cerryl beobachtete den Weißen Magier aus den Augenwinkeln, doch das ovale Gesicht des Mannes blieb völlig ausdruckslos.
    Hinter den Gold- und Silberschmieden erstreckten sich die großen Häuser mit den niedrigen weißen Granitmauern davor. Im Garten neben Muneats kleinem Palast hüpften zwei kleine Kinder herum; eine schlanke, junge Frau, die im Schatten eines Baumes stand und auf die Kleinen aufpasste, versteinerte beim Anblick der Prozession zu einem Speer. Vor dem nächsten Haus schnitten zwei Gärtner den Wein, der um

Weitere Kostenlose Bücher