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Die Weiße Rose

Die Weiße Rose

Titel: Die Weiße Rose Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Inge Scholl
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deutsches Volk zurück. Wir wollen nicht an Sklavenketten unser kurzes Leben dahinfristen, und wären es goldene Ketten eines materiellen Überflusses.
    Sie haben mir den Rang und die Rechte des Professors und den ›summa cum laude‹ erarbeiteten Doktorhut genommen und mich dem niedrigsten Verbrecher gleichgestellt. Die innere Würde des Hochschullehrers, des offenen, mutigen Bekenners seiner Welt- und Staatsanschauung, kann mir kein Hochverratsverfahren rauben. Mein Handeln und Wollen wird der eherne Gang der Geschichte rechtfertigen; darauf vertraue ich felsenfest. Ich hoffe zu Gott, daß die geistigen Kräfte, die es rechtfertigen, rechtzeitig aus meinem eigenen Volke sich entbinden mögen. Ich habe gehandelt, wie ich aus einer inneren Stimme heraus handeln mußte. Ich nehme die Folgen auf mich nach dem schönen Wort Johann Gottlieb Fichtes:
    Und handeln sollst du so, als hinge
    Von dir und deinem Tun allein
    Das Schicksal ab der deutschen Dinge,
    Und die Verantwortung wär’ dein.«
    Man hörte damals, daß in der Folge etwa 80  Personen in München und anderen süd- und westdeutschen Städten verhaftet worden waren. Darunter wurden auch die meist völlig ahnungslosen Angehörigen in ›Sippenhaft‹ genommen. »Für den Verräter haftet die Sippe«, hieß die Anweisung der damaligen Justiz, die dazu angetan war, jede Bereitschaft zu eigener Aktivität im Keim zu ersticken. Im zweiten Prozeß am 19 . April 1943 , bei dem Professor Kurt Huber, Willi Graf und Alexander Schmorell zum Tode verurteilt wurden, standen elf weitere Angeklagte vor Gericht. Drei Oberschüler, Hans Hirzel, Heinrich Guter und Franz Müller, erhielten Freiheitsstrafen bis zu fünf Jahren. Die Studentinnen Traute Lafrenz, Gisela Schertling und Karin Schüddekopf aus dem Kreis der Freunde meiner Geschwister wurden zu je einem Jahr, Susanne Hirzel zu einem halben Jahr Gefängnis verurteilt. Hohe Zuchthausstrafen bis zu zehnjähriger Haft wurden über den Medizinstudenten Helmut Bauer, den Assistenten Dr. Heinrich Bollinger und Eugen Grimminger verhängt. Grimminger war damals Wirtschaftsberater in Stuttgart gewesen, ein Jugendfreund des Vaters Scholl. Er hatte tagtäglich in beispielhafter Weise den passiven Widerstand verwirklicht, insbesondere in seiner selbstverständlichen Hilfsbereitschaft gegenüber Unterdrückten und Verfemten. Die Münchner Aktion hatte er durch finanzielle Mittel unterstützt. Seine Frau Jenny Grimminger kam später ebenfalls in Haft und wurde im Dezember 1943 in Auschwitz umgebracht. Bauer und Bollinger gehörten zu dem Freundeskreis Willi Grafs, der sich schon seit Jahren in heftiger Ablehnung gegen den Nationalsozialismus befand. Von Bollinger wissen wir, daß er dabei war, Ansätze zum aktiven Widerstand vorzubereiten, indem er ein kleines Waffendepot anlegte.
    Es ist bezeichnend, daß kaum ein Wort in der damaligen deutschen Öffentlichkeit über diese großen und erregenden Prozesse erschien. Eine karge Nachricht von etwa 30  Zeilen im ›Völkischen Beobachter‹ zum Zweck der Bagatellisierung erschien unter dem Titel »Gerechte Strafen gegen Verräter an der kämpfenden Nation«. Trotzdem verbreitete sich die Nachricht über die Münchner Ereignisse wie ein Lauffeuer bis an die fernsten Fronten in Rußland. Sie ging wie eine Welle der Erleichterung durch Konzentrationslager, Gefängnisse und Ghettos. Endlich hatten einige Menschen es ausgesprochen, was so bedrückend auf Millionen lag. Was ein anderer Widerstandskämpfer, Helmuth von Moltke, später einmal gefordert hatte (»Macht eine Legende aus uns«), hatte sich in wenigen Wochen gebildet. Anders freilich als in einer Welt, in der Presse und Fernsehen ein unmittelbares und wiederholtes Echo geben, vielleicht aber in einer intensiveren Wirksamkeit. Untergrund hat seine eigenen Gesetze.
    Am 13 . Juli 1943 , merkwürdigerweise am Hinrichtungstag von Professor Huber und Alexander Schmorell, folgte ein dritter Prozeß im Zusammenhang mit der Aktion der Münchner Studenten. Vier ältere Freunde des Kreises wurden in München vor ein Sondergericht gestellt: der Buchhändler Josef Söhngen, der bei den Flugblattaktionen wichtige Hilfestellung leistete, Harald Dohrn, der Schwiegervater von Christoph Probst, der Kunstmaler Wilhelm Geyer und der Architekt und Maler Manfred Eickemeyer, der ihnen sein Atelier für ihre Zusammenkünfte und ihre Arbeit zur Verfügung gestellt hatte. Sie erhielten zwischen drei und sechs Monaten Gefängnis.
    Die letzten Todesopfer

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