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Die Weiße Rose

Die Weiße Rose

Titel: Die Weiße Rose Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Inge Scholl
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Zigarette miteinander rauchen konnten. Es waren nur ein paar Minuten, aber ich glaube, es hat viel für sie bedeutet. ›Ich wußte nicht, daß Sterben so leicht sein kann‹, sagte Christl Probst. Und dann: ›In wenigen Minuten sehen wir uns in der Ewigkeit wieder.‹
    Dann wurden sie abgeführt, zuerst das Mädchen. Sie ging, ohne mit der Wimper zu zucken. Wir konnten alle nicht begreifen, daß so etwas möglich war. Der Scharfrichter sagte, so habe er noch niemanden sterben sehen.«
    Und Hans, ehe er sein Haupt auf den Block legte, rief laut, daß es durch das große Gefängnis hallte: »Es lebe die Freiheit.«
     
    Zunächst schien es, als sei mit dem Tod dieser drei alles abgeschlossen. Sie verschwanden still und beinahe heimlich in der Erde des Perlacher Friedhofs, während eine strahlende Vorfrühlingssonne sich zum Untergehen neigte. »Niemand hat größere Liebe denn die, daß er sein Leben lässet für seine Freunde«, sagte der Gefängnisgeistliche, der sich als einer der Ihrigen zu ihnen bekannt und sie voller Verständnis betreut hatte. Er gab uns die Hand und wies auf die untergehende Sonne. Und er sagte: »Sie geht auch wieder auf.«
    Nach kurzer Zeit jedoch erfolgte aufs neue Verhaftung auf Verhaftung. Und in einem zweiten Prozeß – wir erfuhren es an einem Karfreitag im Gefängnis – wurden neben einer Reihe von Freiheitsstrafen drei weitere Todesurteile durch den Volksgerichtshof gefällt: über Professor Huber, Willi Graf und Alexander Schmorell.
    In Notizen von Professor Huber, der auch in Haft, vor und nach der Verurteilung, unermüdlich an seinem wissenschaftlichen Werk arbeitete, fand sich der folgende Entwurf für das ›Schlußwort des Angeklagten‹. Es sind Worte, die, wie berichtet wird, mindestens ihrem Sinn nach, vor dem ›Volksgericht‹ wiederholt wurden: »Als deutscher Staatsbürger, als deutscher Hochschullehrer und als politischer Mensch erachte ich es als Recht nicht nur, sondern als sittliche Pflicht, an der Gestaltung der deutschen Geschicke mitzuarbeiten, offenkundige Schäden aufzudecken und zu bekämpfen …
    Was ich bezweckte, war die Weckung der studentischen Kreise, nicht durch eine Organisation, sondern durch das schlichte Wort, nicht zu einem Akt der Gewalt, sondern zur sittlichen Einsicht in bestehende schwere Schäden des politischen Lebens. Rückkehr zu klaren, sittlichen Grundsätzen, zum Rechtsstaat, zu gegenseitigem Vertrauen, von Mensch zu Mensch, das ist nicht illegal, sondern umgekehrt die Wiederherstellung der Legalität. Ich habe mich im Sinne von Kants kategorischem Imperativ gefragt, was geschähe, wenn diese subjektive Maxime meines Handelns ein allgemeines Gesetz würde. Darauf kann es nur eine Antwort geben: Dann würden Ordnung, Sicherheit, Vertrauen in unser Staatswesen, in unser politisches Leben zurückkehren. Jeder sittlich Verantwortliche würde mit uns seine Stimme erheben gegen die drohende Herrschaft der bloßen Macht über das Recht, der bloßen Willkür über den Willen des sittlich Guten. Die Forderung der freien Selbstbestimmung auch des kleinsten Volksteils ist in ganz Europa vergewaltigt, nicht minder die Forderung der Wahrung der rassischen und völkischen Eigenart. Die grundlegende Forderung wahrer Volksgemeinschaft ist durch die systematische Untergrabung des Vertrauens von Mensch zu Mensch zunichte gemacht. Es gibt kein furchtbareres Urteil über eine Volksgemeinschaft als das Eingeständnis, das wir alle machen müssen, daß keiner sich vor seinem Nachbarn, der Vater nicht mehr vor seinen Söhnen sicher fühlt. Das war es, was ich wollte, mußte.
    Es gibt für alle äußere Legalität eine letzte Grenze, wo sie unwahrhaftig und unsittlich wird. Dann nämlich, wenn sie zum Deckmantel einer Feigheit wird, die sich nicht getraut, gegen offenkundige Rechtsverletzung aufzutreten. Ein Staat, der jegliche freie Meinungsäußerung unterbindet und jede, aber auch jede sittlich berechtigte Kritik, jeden Verbesserungsvorschlag als ›Vorbereitung zum Hochverrat‹ unter die furchtbarsten Strafen stellt, bricht ein ungeschriebenes Recht, das ›im gesunden Volksempfinden‹ noch immer lebendig war und lebendig bleiben muß.
    Ich habe das eine Ziel erreicht, diese Warnung und Mahnung nicht in einem privaten, kleinen Diskutierklub, sondern an verantwortlicher, an höchster richterlicher Stelle vorzubringen. Ich setze für diese Mahnung, für diese beschwörende Bitte zur Rückkehr, mein Leben ein. Ich fordere die Freiheit für unser

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