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Die Weiße Rose

Die Weiße Rose

Titel: Die Weiße Rose Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Inge Scholl
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Angesicht des Todes oder des Kerkers – wer wollte darüber ein abschätziges Wort verlieren –, im Angesicht dieser teuflischen Richter versuchten viele ihre wahre Gesinnung zu verbergen, um ihres Lebens und der Zukunft willen.
    Jedem von den dreien war, wie üblich, zum Schluß noch das Wort erteilt worden, um für sich zu sprechen. Sophie schwieg. Christl bat um sein Leben um seiner Kinder willen. Und Hans versuchte, dies zu unterstützen und auch ein Wort für seinen Freund einzulegen. Da wurde es ihm von Freisler grob abgeschnitten: »Wenn Sie für sich selbst nichts vorzubringen haben, schweigen Sie gefälligst.«
     
    An die Stunden, die nun folgten, werden Worte wohl nie ganz herankommen können.
    Die drei wurden in das große Vollstreckungsgefängnis München-Stadelheim überführt, das neben dem Friedhof am Rand des Perlacher Forstes liegt.
    Dort schrieben sie ihre Abschiedsbriefe. Sophie bat darum, noch einmal ihren Vernehmungsbeamten von der Gestapo sprechen zu dürfen. Sie habe noch eine Aussage zu machen. Es war ihr etwas eingefallen, das einen ihrer Freunde entlasten konnte.
    Christl, der konfessionslos aufgewachsen war, verlangte einen katholischen Geistlichen. Er wollte die Taufe empfangen, nachdem er sich schon lange innerlich dem katholischen Glauben zugewandt hatte. In einem Brief an seine Mutter heißt es: »Ich danke Dir, daß Du mir das Leben gegeben hast. Wenn ich es recht bedenke, war es ein einziger Weg zu Gott. Ich gehe Euch jetzt einen Sprung voraus, um Euch einen herrlichen Empfang zu bereiten …«
    Inzwischen war es meinen Eltern wie durch ein Wunder gelungen, ihre Kinder noch einmal zu besuchen. Eine solche Erlaubnis war fast unmöglich zu erhalten. Zwischen 16 und 17  Uhr eilten sie zum Gefängnis. Sie wußten noch nicht, daß dies endgültig die letzte Stunde ihrer Kinder war.
    Zuerst wurde ihnen Hans zugeführt. Er trug Sträflingskleider. Aber sein Gang war leicht und aufrecht, und nichts Äußeres konnte seinem Wesen Abbruch tun. Sein Gesicht war schmal und abgezehrt, wie nach einem schweren Kampf. Er neigte sich liebevoll über die trennende Schranke und gab jedem die Hand. »Ich habe keinen Haß, ich habe alles, alles unter mir.« Mein Vater schloß ihn in die Arme und sagte: »Ihr werdet in die Geschichte eingehen, es gibt noch eine Gerechtigkeit.« Darauf trug Hans Grüße an alle seine Freunde auf. Als er zum Schluß noch den Namen eines Mädchens nannte, sprang eine Träne über sein Gesicht, und er beugte sich über die Barriere, damit niemand sie sehe. Dann ging er, aufrecht, wie er gekommen war.
    Darauf wurde Sophie von einer Wachtmeisterin herbeigeführt. Sie trug ihre eigenen Kleider und ging langsam und gelassen und sehr aufrecht. (Nirgends lernt man so aufrecht gehen wie im Gefängnis.) Sie lächelte, als schaue sie in die Sonne. Bereitwillig und heiter nahm sie die Süßigkeiten, die Hans abgelehnt hatte: »Ach ja, gerne, ich habe ja noch gar nicht Mittag gegessen.« Es war eine ungewöhnliche Lebensbejahung bis zum Schluß, bis zum letzten Augenblick. Auch sie war um einen Schein schmaler geworden, aber ihre Haut war blühend und frisch – das fiel der Mutter auf wie noch nie –, und ihre Lippen waren tiefrot und leuchtend. »Nun wirst du also gar nie mehr zur Türe hereinkommen«, sagte die Mutter. »Ach, die paar Jährchen, Mutter«, gab sie zur Antwort. Dann betonte auch sie, wie Hans, fest und überzeugt: »Wir haben alles, alles auf uns genommen«; und sie fügte hinzu: »Das wird Wellen schlagen.«
    Das war in diesen Tagen ihr großer Kummer gewesen, ob die Mutter den Tod gleich zweier Kinder ertragen würde. Aber nun, da sie so tapfer und gut bei ihr stand, war Sophie wie erlöst. Noch einmal sagte die Mutter: »Gelt, Sophie: Jesus.« Ernst, fest und fast befehlend gab Sophie zurück: »Ja, aber du auch.« Dann ging auch sie – frei, furchtlos, gelassen. Mit einem Lächeln im Gesicht.
    Christl konnte niemanden von seinen Angehörigen mehr sehen. Seine Frau lag im Wochenbett mit dem dritten Kind, seinem ersten Töchterchen. Sie erfuhr von dem Schicksal ihres Mannes erst, als er nicht mehr lebte.
    Die Gefangenenwärter berichteten: »Sie haben sich so fabelhaft tapfer benommen. Das ganze Gefängnis war davon beeindruckt. Deshalb haben wir das Risiko auf uns genommen – wäre es rausgekommen, hätte es schwere Folgen für uns gehabt –, die drei noch einmal zusammenzuführen, einen Augenblick vor der Hinrichtung. Wir wollten, daß sie noch eine

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