Die Weiße Rose
verweigerte.
Hans Konrad Leipelt, 1921 in Wien geboren, ist in Hamburg aufgewachsen. Beide Eltern waren Chemiker. Die Mutter entstammte einer jüdischen Familie. Hans und seine Schwester wurden evangelisch erzogen, durch die Nürnberger Gesetze wurden sie jedoch 1935 zu »jüdischen Mischlingen 1 . Grades« gestempelt. Hans legte schon mit 16 Jahren das Abitur ab, meldete sich freiwillig zum Reichsarbeitsdienst und zur Wehrmacht. Im Frankreichfeldzug erhielt er das EK II und das Panzerkampfabzeichen. Kurz danach verfügte ein neues Gesetz die »unehrenhafte Entlassung« aller »Halbjuden« aus der Wehrmacht. Hans konnte zwar 1941 in Hamburg mit dem Chemiestudium beginnen, aber schon ein Jahr später wurde er von der Universität verwiesen, weil »jüdische Mischlinge« nicht mehr studieren durften. Hans ging nach München. Das chemische Institut an der Universität München, unter Leitung des Nobelpreisträgers Professor Heinrich Wieland, galt als Zufluchtsstätte für Gegner und Verfolgte des Regimes. Im Institut dieses noblen und furchtlosen Wissenschaftlers wurden immer wieder nach den NS -Rasse-Gesetzen ›nicht arische‹ Studentinnen und Studenten aufgenommen und damit vor Zwangsarbeit und Schlimmerem bewahrt.
Während Leipelt 1942 in München studierte, wurde seine Großmutter in Theresienstadt ermordet.
Kurz nach der Verhaftung von Hans und Sophie Scholl erhielt er das 6 . Flugblatt der Weißen Rose. Mit seiner Freundin Marie-Luise Jahn vervielfältigte er den Text und gab ihm die Überschrift: »Und ihr Geist lebt trotzdem weiter!« Beide verteilten die Flugblätter und brachten sie auch nach Hamburg.
Nachdem Traute Lafrenz von der Gestapo kaltgestellt worden war, fiel die Verbindungsarbeit zwischen dem studentischen Widerstand in München und Hamburg Hans Leipelt zu. Die heimliche Geldsammlung für Frau Huber wurde ihm zum Verhängnis: Er wurde am 8 . Oktober 1943 verhaftet. Seine Mutter Dr. Katharina Leipelt und seine Schwester Maria kamen in Sippenhaft. Die Mutter starb am 9 . Dezember 1943 im Gefängnis Fuhlsbüttel, wahrscheinlich durch Freitod.
Ein Jahr nach der Verhaftung Leipelts, am 13 . Oktober 1944 , fand der vierte Prozeß gegen die Weiße Rose statt. Dabei wurde Hans Konrad Leipelt zum Tode verurteilt, Marie-Luise Jahn zu 12 Jahren Zuchthaus. Über zwei weitere Mitangeklagte, die beim Chemischen Institut in München beschäftigt waren, wurden hohe Haftstrafen verhängt. Leipelt wurde, wie die sechs vor ihm, in das Vollstreckungsgefängnis München-Stadelheim gebracht. Dort wurde er am 29 . Januar 1945 durch das Fallbeil hingerichtet.
In Hamburg wurden insgesamt noch vier weitere Prozesse vorbereitet, und zwar die ›Strafsachen Kucharski und andere‹, ›Suhr und andere‹, ›Schneider und andere‹ und ›Himpkamp und andere‹. Abgeurteilt wurden noch drei Angehörige der Hamburger Gruppe. Der Volksgerichtshof verurteilte Heinz Kucharski am 17 . April 1945 zum Tode, Dr. Rudolf Degkwitz erhielt ein Jahr Gefängnis, Felix Jud wurde am 19 . April 1945 zu vier Jahren Zuchthaus verurteilt.
Für die Hamburger Gruppe war es ein Glück, daß sich die Prozesse so lange hinauszögerten und so nicht noch mehr Menschen in den Strudel gerissen wurden. Die Alliierten machten auch hier den Nazis einen Strich durch die Rechnung. Suhr und auch andere, die mit einem Todesurteil rechnen mußten, wurden nicht mehr abgeurteilt, und Kucharski, der sich auf dem Wege zur Vollstreckung nach Bützow-Dreibergen befand, konnte seinen Henkern um Haaresbreite entfliehen. Die übrigen Verhafteten wurden im Mai 1945 in Hamburg, in Stendal, in Bayreuth und anderswo aus der Haft befreit.
In den ersten Monaten des Jahres 1945 wartete die ganze Welt atemlos stündlich auf das Kriegsende und damit auf das Ende des Naziregimes. Über allen Häftlingen und Todeskandidaten hing damals die flackernde Hoffnung, daß sie vielleicht doch noch den Wettlauf mit der Zeit gewinnen würden. Auf der anderen Seite spitzte sich die Gefährdung zu, denn der Blick auf den eigenen Untergang ließ das Regime noch brutaler werden.
Flugblätter der Weißen Rose
1
Nichts ist eines Kulturvolkes unwürdiger, als sich ohne Widerstand von einer verantwortungslosen und dunklen Trieben ergebenen Herrscherclique ›regieren‹ zu lassen. Ist es nicht so, daß sich jeder ehrliche Deutsche heute seiner Regierung schämt, und wer von uns ahnt das Ausmaß der Schmach, die über uns und unsere Kinder kommen wird, wenn einst der Schleier
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