Die Weiße Rose
Ja, sie war kummervoll, die Anfälligkeit der deutschen Jugend – gerade der Jugend – für die nationalsozialistische Lügenrevolution. Jetzt sind ihre Augen geöffnet, und sie legen das junge Haupt auf den Block für ihre Erkenntnis und für Deutschlands Ehre – legen ihn dorthin, nachdem sie vor Gericht dem Nazi-Präsidenten ins Gesicht gesagt: »Bald werden Sie hier stehen, wo ich jetzt stehe«, nachdem sie im Angesicht des Todes bezeugt: Ein neuer Glaube dämmert an Freiheit und Ehre.
Brave, herrliche Leute! Ihr sollt nicht umsonst gestorben, sollt nicht vergessen sein. Die Nazi haben schmutzigen Rowdies, gemeinen Killern in Deutschland Denkmäler gesetzt – die deutsche Revolution, die wirkliche, wird sie niederreißen und an ihrer Stelle eure Namen verewigen, die ihr, als noch Nacht über Deutschland und Europa lag, wußtet und verkündetet: »Es dämmert ein neuer Glaube an Freiheit und Ehre.«
Mai 1943
Flugblatt des Nationalkomitees ›Freies Deutschland‹, einer Organisation kriegsgefangener deutscher Soldaten in Rußland
Senkt die Fahnen
über frischen Gräbern
deutscher Freiheitskämpfer!
Vor kurzem erreichte uns die Schreckenskunde, in München wurden Ende Februar drei jugendliche Deutsche hingerichtet – die Geschwister Hans und Sophie Scholl und Christoph Probst.
Die drei gehörten zu den edlen und mutigen Vertretern der deutschen Jugend, die nicht mehr gedankenlos in sturer Demut, die schrecklichen Leiden ihres Vaterlandes miterleben wollten.
Sie waren Studenten an der Münchener Universität, Hans Scholl kam erst vor wenigen Monaten von der Ostfront auf Studienurlaub. Er war tapferer Soldat gewesen – Inhaber des Verwundetenabzeichens, des EK II und der Ostmedaille. [5]
Geführt von Hans Scholl rollten die Münchener Studenten als erste die Fahne der Freiheit öffentlich auf. Sie verbreiteten Flugschriften und organisierten eindrucksvolle Kundgebungen [6]
gegen Gestapo-Terror und Massenbetrug –
gegen Totalmobilisation, die totale Verelendung des deutschen Volkes bedeutet –
gegen die schlemmenden und prassenden Etappenhengste der SS , SA und der Hitlerschen Bonzokratie –
gegen Kriegshetzer und Kriegsverlängerer, die in unersättlicher Profitgier oder in sturer, fanatischer Ergebenheit für Hitler Millionen deutscher Männer verbluten lassen –
gegen das gesamte willkürliche, auf Weltherrschaft und Völkerversklavung erpichte Hitlerregiment, das die maßlosen Leiden des Totalkrieges, die massierten Luftangriffe, Ruin und Elend auf Deutschland heraufbeschworen hat –
gegen den Völkerbetrüger und wahnwitzigen Auch-Feldherrn Hitler, der durch seine abenteuerliche Eroberungspolitik, Rassenhetze und blutige Terrorisierung der besetzten Gebiete, den Völkerhaß gegen Deutschland provozierte, der die deutsche Familie, die deutsche Bauernschaft und den deutschen Mittelstand ruiniert und zersetzt, Deutschland mit Ausländern überschwemmen läßt, die Grundlagen der Existenz und des Werdegangs der deutschen Nation zermürbt und untergräbt.
So lauteten die Parolen der Jugendkundgebungen [7] in München im Februar 1943 .
Diese Kundgebungen wurden durch die SS gesprengt, mehrere Studenten wurden verhaftet, brutal mißhandelt und vors Kriegsgericht gestellt. [8]
Man beschuldigte sie, sie seien »Volksschädlinge« und »Kommunisten«.
»Ich bin kein Kommunist, ich bin Deutscher«, sagte vorm Gericht Hans Scholl.
Und als Deutscher, als Frontsoldat, als ein Mann, der um das Schicksal seiner Heimat und seines Volkes besorgt ist, trotzte der tapfere, junge Freiheitskämpfer todesmutig seinen Richtern.
»Ihr könnt mich hinrichten, aber es kommt der Tag und Ihr werdet die Gerichteten sein, das Volk, die deutsche Heimat wird Euch richten!«
Das Beil des Hitlerschen Henkers sauste drei Mal nieder und drei junge Köpfe rollten vom Richtblock.
Drei Helden starben, doch ihr Geist, ihre Liebe und ihr Haß, ihr Kampf für Frieden und Freiheit Deutschlands leben in Hunderttausenden und Millionen junger deutscher Herzen weiter …
Unsterblich bleibt der Ruhm der Tapferen!
Ulm – die Vaterstadt der Geschwister Scholl, und München – ihre Kampf- und Todesstätte, werden einst in Dank und Ehrfurcht ihre Heldendenkmäler einweihen.
»Deutschland hofft auf seine Jugend!«
sprach in seiner letzten Rede Scholl. [9]
»Wie einst in dem Freiheitskriege 1813 – 1814 , muß auch jetzt die deutsche Jugend ihr Vaterland von einer schändlichen Tyrannei, von Schmach, Elend
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