Die weissen Feuer von Hongkong
Als er sich in dem Raum umsah, entdeckte er auf dem Büfett eine Anzahl Flaschen. Bevor er einen Blick auf die Mädchen warf, kaufte er noch zwei Flaschen billigen Gin und verstaute sie in den Hosentaschen.
Im Salon schnarchte auf einem Sofa ein Leutnant der Marine, der unter den Gästen eine Vorzugsstellung genoß. Ein paar Mädchen in Phantasiegewändern aus durchsichtigem Nylon hatten Kolberg bemerkt. Sie kamen heran und begrüßten ihn.
»Etwas Bestimmtes?« erkundigte sich Madame Dorothy diskret. Er sah sie an; sie war eine fette Frau mit den Augen eines hungrigen Raben. »Nein.«
»Sie bleiben bis zum Morgen?«
Er trank, dann steilte er die nahezu leere Whiskyflasche nachlässig auf das Klavier. Aus der Hemdtasche zog er einen Geldschein, den er der Besitzerin wie einen schmutzigen Scheuerlappen mit gespreizten Fingern überreichte. »Reicht das?«
Madame Dorothy war entzückt. Sie klatschte in die Hände und forderte die Mädchen auf, nett zu dem späten Gast zu sein. Sie hatte nichts dagegen, daß sich Kolberg das Akkordeon umhängte, das zwischen den übrigen Musikinstrumenten unter dem Klavier lag. Als er sich in einen der Sessel fallen ließ und zu spielen begann, zog sie sich zurück. Nach und nach verschwanden die Mädchen ebenfalls; sie hatten begriffen, daß dieser Flieger mit dem Akkordeon allein sein wollte. Nur eine blieb, ein sehr schlankes, braunes Mädchen aus der Deltagegend, mit einem noch jungen Gesicht.
»Wie heißt du?« fragte Kolberg und setzte das Akkordeon ab.
»Man nennt mich Jane. Gefällt dir der Name?«
Er erinnerte sich an den Gin. Aus der Hosentasche nahm er eine der Flaschen, öffnete sie und trank. »Bier, Whisky, Gin«, sagte er. »Morgen früh werde ich einen Kater haben wie ein Admiral. Du bist hübsch.«
»Ich bin erst sechzehn«, verriet ihm das Mädchen. Mit einer geschickten Bewegung nahm sie eine Blüte aus dem Strauß auf dem Klavier und steckte sie sich ins Haar.
»Und du hurst mit sechzehn schon für Geld?«
Sie verzog schmollend den Mund. »Du bist nicht sehr höflich, Flieger.«
Er lachte und trank wieder. Dann warf er ihr die Flasche zu. »Da, trink! Sei nicht beleidigt. Wir beide passen zueinander. Du und ich, wir sind wie Geschwister. Du hurst für Geld, und ich fliege für Geld. Eins ist nicht besser als das andere.«
Sie gab ihm die Flasche zurück. »Sind alle Amerikaner so unhöflich ?«
Fred Kolberg zuckte die Schultern. »Frag sie. Ich bin keiner. Ich bin ein staatenloser Vagabund, der ab morgen für Geld Bomben werfen soll.«
Das Mädchen verstand nicht alles, ihre Kenntnisse in der fremden Sprache beschränkten sich auf das, was sie für ihre Profession brauchte. Sie streckte sich auf dem Diwan aus und ließ ihre Augen nicht von dem großen, blonden Mann mit dem sympathischen Gesicht. Seine Schultern waren breit, und er hatte Muskeln, die das durchschwitzte Hemd spannten. »Wie komisch du redest«, sagte sie vorwurfsvoll und mit einer gewissen Koketterie. Sie wußte genau, daß er durch das Nylon ihren Körper sehen konnte, die jungen, spitzen Brüste, die untadeligen Schenkel, den Leib, den sie sorgfältig mit duftendem Öl eingerieben hatte. »Und du solltest nicht soviel trinken. Männer taugen nichts, wenn sie getrunken haben.«
Er begann wieder auf dem Akkordeon zu spielen. Es geschah nicht oft, daß Fred Kolberg musizierte. Er fürchtete sich davor. Immer wenn er spielte, kamen die Gedanken, und die quälten ihn. Es ist schwer, sich vorzustellen, daß man am kommenden Tag einen Bombeneinsatz fliegen soll, wenn man Fred Kolberg heißt. Man hat das alles von einer Seite erlebt, die solche Leute wie Conolly und der kleine Italiener nicht kennen. Man ist ein Spezialist gewesen, und man ist auf die lange Reise nach Asien gegangen. Wo sind jene Herren, die mich damals weggeschickt haben? Ich bin hier, der staatenlose Deutsche, Fred Kolberg, der nach Hause will, endlich. Und wo sind die anderen?
Er griff wieder nach der Flasche. Das Akkordeon verrutschte auf seinen Knien und gab einen mißtönenden Laut von sich. »Prost«, sagte Kolberg zu dem fremden Mädchen, das ihn unverwandt anstarrte. »Du bist schön. Ich bin auch schön. Und wir sind beide gleich. Da, trink.«
Er warf ihr die Flasche hinüber, sie fing sie zwischen ihren Schenkeln auf. Als sie getrunken hatte, fragte sie: »Du willst nicht mit mir nach oben gehen?«
»Wozu?«
»Ich bin ganz neu hier. Du brauchst keine Angst zu haben, ich bin nicht krank.«
»Und?«
Das
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