Die weissen Feuer von Hongkong
Reihe kam. Außerdem traf er Bekannte, mit denen er eine Weile plauderte, bevor er sich auf den Rückweg zu seinem Boot machte. Es verwunderte ihn nicht sehr, daß die Dschunke des alten Yen nicht mehr an ihrem Platz lag. Sicher hatte die Polizei sie abgeschleppt, um sie zu untersuchen. Lo Wen goß Wasser in den kleinen Topf und machte sich daran, seine Nudeln zu kochen. Er war sehr erstaunt, als zwei Stunden später ein Polizeiflitzer am Kai hielt und die Beamten sich bei den Fischern erkundigten, wo die Dschunke 707 lag. Lo Wen ging neugierig hinzu. Die Beamten kannten ihn nicht. Und als er gefragt wurde, konnte er auch nichts anderes sagen als die übrigen Fischer. Die Dschunke hatte bis zum Einbruch der Dunkelheit am Kai gelegen und war dann offenbar zum Fang ausgefahren.
Der Polizeiflitzer fuhr den ganzen Kai ab, ohne eine Spur von dem Boot oder den beiden Beamten zu finden, die mit dem Auftrag ausgeschickt worden waren, jenen flüchtigen Flieger zu ergreifen. Schließlich meldete der Offizier der Streife über sein Funkgerät, daß die Dschunke samt den Polizisten verschwunden sei. Er fügte hinzu, daß man den Küstenschutz benachrichtigen sollte, weil die Möglichkeit bestand, daß der Flüchtige mit der Dschunke durchgebrannt war.
Um diese Zeit hatte das Boot des alten Yen die Küste Hongkongs bereits weit hinter sich gelassen. Die weißen Feuer in den Hügeln von Aplichau, an der Repulse Bay und auf dem Peak verblaßten. Zurück blieb ein fahler, heller Streifen am Horizont, der sich langsam auflöste.
Yen wischte mit dem Finger sorgfältig seine Eßschale
aus, bevor er sie wegstellte. Die Frau des Fliegers hatte es fertiggebracht, auf der schnell dahinschießenden Dschunke ein ausgezeichnetes Essen zu kochen. Nur Salz hatte gefehlt, darauf hatten sie verzichten müssen, denn es war unter Deck aufbewahrt, wo sich die beiden Polizisten befanden.
Kolberg gesellte sich zu dem Alten am Ruder. Sie steckten sich Zigaretten an und ließen ihre Blicke über das Wasser schweifen. Hin und wieder schaukelten in einiger Entfernung die Positionslichter anderer Dschunken, aber Yen steuerte sein Boot so, daß er nicht zu nahe an sie herankam. Als er jetzt neben Kolberg stand, erkundigte er sich im Flüsterton: »Wann müssen Sie bei Kap Rock sein?« »Das Schiff läuft um vier Uhr aus.«
»Dann kann es eine halbe Stunde später dort vorüberfahren«, überlegte der Fischer. »Um diese Zeit wird es bereits hell. Und beim Leuchtfeuer von Kap Rock können wir uns nicht verstecken. Es liegt mitten auf dem Meer.«
Fred Kolberg erkannte die Gefahr. Die Polizei würde ohne Zweifel den Küstenschutz alarmieren, dessen Motorboote das Meer vor der Küste Hongkongs nach der Dschunke absuchen würden. So konnte die Flucht noch im letzten Augenblick mißlingen. Yen fand schließlich einen Weg, der Gefahr des Entdecktwerdens zu entgehen.
»Wir müssen uns jetzt nordöstlich halten«, riet er Kolberg. »Eine Meile vor Kap Rock gibt es noch ein paar kleine Inseln. Sie haben Mangrovenküsten. Dort können wir bleiben, bis es Tag wird. Dann müssen wir es wagen, an Kap Rock vorüberzufahren, damit wir auf die Schiffsroute stoßen.«
Das schien die beste Möglichkeit zu sein, den Polizeifahrzeugen zu entwischen. Kolberg entschied sich sofort dafür. Yen änderte den Kurs, und bereits nach einer knappen Stunde wurden die Umrisse der Insel sichtbar. Es war eine der kleinen, flachen Sandinseln, die dem Festland vorgelagert waren: einige hundert Quadratkilometer schlammiger Sand, tief eingeschnittene Buchten mit großblättrigen Büschen bewachsen und an den Rändern von wuchernden Mangroven gesäumt, deren Wurzeln bei niedrigem Wasserstand wie undurchdringliches Flechtwerk über dem Schlick standen.
Es war eine Stunde nach Mitternacht, als Yen einen Zugang in dem verfilzten Dickicht vor dem Ufer ausfindig machte. Er zog das Segel ein und ließ die Dschunke, langsam zwischen die Mangroven gleiten. Unter dem Kiel knirschte leise der Sand. Die beiden Polizisten hatten während der ganzen Fahrt nicht mehr versucht, mit Kolberg in Verbindung zu treten. Jetzt meldete sich Briggs: »Hören Sie, Kolberg, nehmen Sie Vernunft an. Die Sache ist aussichtslos für Sie. Machen Sie Schluß. Wir werden uns dafür einsetzen ...«
Er kam nicht weiter. Kolberg war an die Luke getreten
und rief: »Passen Sie gut auf, meine Herren! Ich habe mit Ihnen nichts zu reden. Was ich tue, darüber entscheide ich selbst. Wenn Sie wieder in Hongkong sind, können
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