Die weissen Feuer von Hongkong
Sie dem deutschen Generalkonsul von mir ausrichten, daß ich es sehr bedaure, ihn nicht windelweich geprügelt zu haben. Kennen Sie ihn wenigstens?«
Nach einer Weile sagte Briggs: »Sie werden wegen tätlichen Angriffs auf einen Diplomaten gesucht, Mister. Das ist ein ernstes Delikt.«
Kolberg lachte. »Werden Sie glücklich mit Ihrem Diplomaten! Und jetzt halten Sie den Mund. Es geschieht Ihnen nichts und dem chinesischen Eigentümer dieser Dschunke auch nicht. In ein paar Stunden ist die ganze Sache für Sie vorbei, und für mich auch.«
Er ging zu Yen auf das Vorderdeck und erkundigte sich: »Könnten die beiden die Luke aufbrechen?«
Der Chinese wiegte den Kopf. »Kaum«, flüsterte er. »Es ist sehr festes Holz, und der Riegel ist schwer. Ob sie einen Verdacht auf mich haben?«
»Nein.« Kolberg lächelte. »Bevor wir auf den Dampfer übersteigen, binde ich dich am Ruder fest. Ich mache das so echt, daß sie dich noch bemitleiden werden.« Sie hockten sich nebeneinander auf die Planken und rauchten. Bert lehnte sich müde an Judith. Sie waren unruhig und gespannt. Noch war die Flucht nicht geglückt.
»Versuch ein wenig zu schlafen«, flüsterte Kolberg Judith zu.
Sie schüttelte den Kopf. »Ich kann nicht schlafen. Es fällt mir schon schwer, auf einem Fleck sitzen zu bleiben.«
Er zog sie ganz dicht an sich heran und legte ihr den Arm um die Schultern. »Weißt du noch, wie wir uns damals im Kaufhaus gesehen haben?«
»Ich weiß es noch ganz genau.«
»Und wie ich dich abends bei diesem Offizier abgeholt habe?«
»Ja. Es ist als wäre es erst vor ein paar Tagen gewesen. Aber dann glaube ich wieder, wir müßten uns schon eine Ewigkeit kennen. Ein ganzes Menschenleben.«
Er küßte sie auf die Stirn. Der Chinese blickte verlegen zur Seite.
»Du hast Mut«, sagte Kolberg.
»Nein. Ich habe Angst gehabt, seit wir uns in Taipeh trennten. Zuerst um dich, weil du in Korea warst. Dann wegen des Jungen und zuletzt um uns drei. Ich habe jetzt noch Angst um uns.«
»Du wirst sie nicht mehr haben, wenn wir auf dem Schiff sind.«
»Wenn ...«, sagte sie.
»Es wird klappen. Die Polen werden mich nicht im Stich lassen. Es sind übrigens die ersten Polen, mit denen ich zu tun habe.«
Sie fragte: »Und wenn sie uns vergessen?«
Aber Kolberg meinte: »Der Steuermann sah nicht so aus wie einer, der etwas vergißt.«
Das Wasser gluckste und gurgelte zwischen den Mangroven. Die Nacht war warm, beinahe schwül, wie die meisten Sommernächte hier. Aus dem Blattgewirr der Büsche am Ufer kam hin und wieder das schläfrige Gurren eines Vogels. Sonst war nur das leichte Rauschen des Meeres zu hören und das schwappende Geräusch der Wellen, die sich an den Planken der Dschunke brachen.
Etwa eine halbe Stunde vor Sonnenaufgang mahnte Yen zum Aufbruch. Er blickte mißtrauisch in den noch schwarzen Himmel und fragte Kolberg flüsternd: »Was zeigt die Uhr an?« Er warf einen Blick auf das Zifferblatt, dann erhob er sich und zog das Segel auf.
Judith griff nach Kolbergs Hand. Der drückte sie und sagte zuversichtlich: »Sei ganz ruhig. Es wird alles gut gehen.«
*
Josef Koslowski betrachtete eingehend die Seekarte, als er seine Wache begann. Er maß die Entfernung bis Kap Rock nach und warf einen Blick auf die letzte Wettermeldung. Er fühlte sich frisch nach dem ausgiebigen Schlaf. In den frühen Morgenstunden war er immer hellwach und außerordentlich unternehmungslustig. Diesmal kam hinzu, daß die Reise nach Hause ging; sie hatte lange genug gedauert, und der Schraubenschaden hatte sie noch verlängert. Es war Zeit, wieder einmal polnischen Boden unter die Füße zu bekommen. Er hatte sich vorgenommen, im Urlaub ins Gebirge zu fahren, weit hinunter, nach Zakopane. Er hatte die meisten Häfen der Welt gesehen, aber in Zakopane war er noch nie gewesen. Ob man in der Seemannsuniform dorthin fahren konnte? Oder sah das zu drollig aus: ein Seemann im Gebirge? Ich werde mir einen Zivilanzug kaufen müssen, überlegte er. Der Kapitän betrat die Brücke. Er sah wie immer gleichsam frisch gebügelt und gestärkt aus, wie aus einem Reklameplakat für die Seeoffizierslaufbahn geschnitten. Koslowski begrüßte ihn kurz, dann fragte er unvermittelt: »Was trägt man jetzt für Anzüge, Stephan, einreihige oder zweireihige?«
Der Kapitän warf ihm einen mißtrauischen Blick zu. »Ich denke, du hast geschlafen?«
»Und ob. Du weißt es also auch nicht?«
»Was?«
»Die Anzüge, wie man sie jetzt trägt.«
»Josef«,
Weitere Kostenlose Bücher