Die weissen Feuer von Hongkong
fehlten auf den Kragenecken, und ging in jene Nische des Zimmers, wo hinter einem Glasperlenvorhang eine Dusche war. Kolberg ließ sich das lauwarme Wasser über die gebräunte Haut laufen. Doch schon wenige Minuten später trocknete er sich mit einem stark nach Chlor riechenden Handtuch ab, goß sich, ehe er die Kleidung wieder anzog, Rasierwasser in das kurze, blonde Haar und rieb auch Gesicht und Arme damit ein. Dem Koffer entnahm er ein in Wachstuch gehülltes Päckchen amerikanischer Dollarnoten und ein längliches Paket. Beides verstaute er sorgfältig in den Anzugtaschen. Aus der Innentasche des Jacketts zog er eine flache, kleine Pistole, prüfte ihren Mechanismus und überzeugte sich davon, daß die Patronen richtig saßen. Dann steckte er die Waffe wieder griffbereit ein und machte sich auf den Weg. Fred Kolberg hatte in Bangkok noch eine geschäftliche Angelegenheit zu regeln, und es schien so, als ob diese Nacht die letzte war, die ihm dafür blieb.
Er nahm einen Samlor. Der Fahrer handelte den Fahrpreis ein wenig herauf, aber das war üblich, und Kolberg willigte ohne Sträuben ein. Dafür fuhr der Mann schnell, und der Luftzug wirkte angenehm kühlend.
Es würde nicht mehr lange dauern, bis der Sommermonsun seine dicken, schwarzen Regenwolken von Süden her über das Land trieb. In der Zeit vor dem großen Regen stieg die Hitze ins unermeßliche. Nur der Nachtwind, der von See her wehte, brachte ein wenig Frische. Aber je näher Kolberg der Stadt kam, desto intensiver wurde der faulige, morastige Gestank, den das Wasser des Mekong ausströmte, der weiter südlich in den Golf von Siam mündete. Zwischen dem Flugplatz und der Stadt lagen Reisfelder, Gemüseplantagen und die dürftigen Bauten der Randsiedlungen. Zum Stadtinneren hin wurden die Gebäude dann höher und fester.
Kochöfen schwelten und verbreiteten ätzenden Rauch. Nackte Kinder hockten am Straßenrand, kleine, schwarzäugige Gestalten mit viel zu alten Gesichtern und aufgetriebenen Bäuchen. Frauen mit langem, zu Knoten geschlungenem Haar und schlanken Körpern wachten über die Handvoll Reis, der auf dem Feuer stand. Karbidlaternen und Ölfunzeln erhellten die Behausungen. Wo die Steingebäude begannen, hing hier und da auch eine elektrische Lampe am Straßenrand. Thailand hatte, kaum genug Reis, wenig Kattun und noch weniger Elektrizität. Es mangelte ihm an Schulen und Hospitälern; allein die vergoldeten Pagoden und die schmucken, glasierten Tempeldächer der buddhistischen Klöster sprachen von einem gewissen Reichtum. Auf den Straßen und Gassen zogen täglich Tausende von bettelnden Mönchen umher. Sie erbaten nicht nur Almosen für ihren eigenen Lebensunterhalt, auch die übrigen Bewohner dieser prunkvoll ausgestatteten Klöster lebten von den Spenden der Bürger.
»Dakli Road?« Der Fahrer wandte sich zu Kolberg um. Der Pilot nickte. Mit ein paar Worten wies er dem Mann den Weg. Der Samlor rollte nicht ganz bis zum Zentrum der Stadt. Hinter einem Kloster, dessen Mauer mit Drachen und Phönixen geziert war, führte eine schmale Gasse in ein verwinkeltes Stadtviertel. Noch bevor sie es erreichten, rief Kolberg dem Fahrer zu, daß er halten solle. Er war an seinem Ziel angekommen, einem äußerlich unscheinbaren Trödelladen, in dessen schmutzigem Schaufenster ein Berg weißer Korallen neben einer Kuckucksuhr lag, eine wertvolle Buddhafigur aus Bronze neben einer holländischen Schnupftabakdose aus buntbemaltem Porzellan und ein malaiischer Kris neben einem amerikanischen Patentfeuerzeug:
«Du wirst hier warten, bis ich komme«, schärfte Kolberg dem Samlorfahrer ein. »Es kann eine Weile dauern, aber ich komme bestimmt.«
Der Samlorfahrer nickte lebhaft. Er schien pfiffig zu sein. »Okay«, sagte er und versuchte, militärisch stramm zu wirken. Dann schob er sein Gefährt ein wenig zur Seite und legte sich auf den Sitz. Es war eine der Vergünstigungen, wenn man einen Wartekunden hatte - man konnte in der Wartezeit schlafen.
Der alte Samboon hatte schon manches gute Geschäft gemacht. Bevor die Amerikaner kamen, hatte er mit den Japanern gehandelt, die Thailand bereits kurz vor Ausbruch des zweiten Weltkrieges im Pazifik mit Genehmigung der französischen Vichy-Regierung besetzt hatten. Zu dieser Zeit war viel Heeresgut durch seine Hände gegangen. Es war gegen Kunstgegenstände eingetauscht worden. Daran hatte sich durch die amerikanische Besetzung des Landes wenig geändert. Auch heute waren Offiziere und Armeebeamte seine
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