Die Welfenkaiserin
sitzen und sich an dich zu lehnen.«
Der einzige meiner vier Söhne, dachte Ludwig, der sich nicht auflehnt, sondern anlehnt. Mögen Entmachtung und Verbannung Lothars und Pippins auch Ludo zur Warnung dienen! Herr, lass es meinen Söhnen niemals mehr an Achtung mir gegenüber gebrechen! Lass uns jetzt alle in Frieden miteinander leben! Wie immer, wenn er Gottes Hilfe erflehte, blickte Ludwig nach oben. Er erschrak. Da er die Hälfte seines Lebens in freier Natur verbracht hatte – meistens auf der Jagd –, wusste er, was das Wolkenbild am Himmel bedeutete.
»Wir müssen schnell einen Unterschlupf finden!«, rief er. »Ein Unwetter naht!« In der Ferne war bereits Grollen zu hören.
Karl hielt mit seinem Königslied inne und lenkte sein Pferdchen ängstlich näher an das des Vaters.
»Das ist noch kein Gewitter, das sind Pferde!«, schrie Konrad, der mit der Vorhut vorangeritten und jetzt schwer atmend an des Kaisers Seite zurückgekehrt war. Er forderte das Gefolge auf, augenblicklich die kaiserliche Familie zu umringen, und stellte sich dann den Ankömmlingen entgegen. Während bereits erste schwere Tropfen fielen, bebte die Erde vom Getrappel herannahender Hufe. Karl, der zu weinen begonnen hatte, streckte die Arme nach seinem Vater aus und wurde vor ihn auf das Pferd gehoben.
»Es sind des Kaisers Farben!«
Aufatmen ging durch die Reihen. Ludwig sah Judith verwundert an. Er erwartete keine Abordnung, wusste nicht, welcher seiner Leute ihm an diesem Ort hätte entgegenreiten können.
»Keine Falle«, kam Konrads beruhigende Stimme. »Drogo reitet vorneweg.«
»Drogo?«
Erschrecken zeichnete sich in Judiths Gesicht ab. Sie riss sich von Ludwigs Seite los, versetzte ihrem Pferd einen Schlag mit der Gerte und sprengte dem Erzbischof entgegen. Ein Windstoß riss ihr die fein bestickte Haube vom Kopf. Arne, seit Judiths Pilgerreise nach Rom erster Knecht des Hofstaats, rannte der tanzenden Kopfbedeckung in den Wald hinterher.
»Wieso bist du nicht bei dem gefangenen Pippin?«, rief Judith ohne Begrüßung Drogo entgegen. »Du kannst doch unmöglich aus Trier schon wieder zurück sein!«
Heftiger Regen prasselte jetzt hernieder, Sturm rauschte durch die Äste, und einem wild zuckenden Blitz folgte sofortiges helles Krachen. Das Gewitter tobte unmittelbar über ihnen. Es war undenkbar, jetzt noch das Zelt des Kaisers errichten zu wollen.
»Schnell, hierher!«, übertönte Arnes Stimme aus dem Wald den Sturm, »eine Köhlerhütte!«
Eilig rannten Judith, Ludwig und Karl auf das winzige runde Gebilde aus Zweigen und Gras zu, das neben einem erloschenen Meiler stand und höchstens Platz für fünf eng beieinander stehende Menschen geboten hätte. Wenn sie leer gewesen wäre.
»Eine tote Frau«, rief Judith entsetzt und beugte sich zu der dünnen, an Armen und Beinen gefesselten Gestalt hinab, die Arne aus der Hütte zog.
»Hinein, hinein«, drängte Ludwig, stieg über die Frau und schob sich mit Karl an der Hand durch die türlose Öffnung in das Grashäuschen.
Während Arne im rauschenden Regen die Kehle der reglosen Frau abtastete, blickte Judith in ein junges bleiches Gesicht, das von abgeschnittenen blonden Haaren eingerahmt war und dadurch besonders verletzlich wirkte.
»Sie lebt noch«, sagte Arne, »geht rasch hinein, Herrin; ich kümmere mich um das Geschöpf.« Er hob die Frau auf und suchte, wie auch der Rest des Gefolges, sich im Gebüsch und unter Bäumen so gut wie möglich vor dem Sturm zu schützen.
»Drogo!«, brüllte der Kaiser aus der Hütte. »Komm her, und erstatte Bericht!«
Der Erzbischof mühte sich, seinen scheuenden Hengst an einen Baum zu binden, und rannte mit wehendem Gewand auf die Hütte zu. Plötzlich machte er einen großen Satz, riss Konrad am Arm zur Seite und stürzte mit ihm zu Boden. Entsetzt beobachte das Kaiserpaar, wie eine riesige Fichte schwankte, herunterkrachte und die Männer unter sich begrub. Wenig später krochen beide unverletzt unter den Zweigen hervor. Drogos Geistesgegenwart hatte verhindert, dass Konrad vom Stamm erschlagen wurde.
Kreidebleich gesellten sich die Männer zur Kaiserfamilie.
Drogo nahm Konrads gestammelten Dank entgegen, wischte sich nasse Baumnadeln vom Gewand und berichtete.
»Pippin ist geflüchtet«, sagte er. »Seine Männer lagen in Doué auf der Lauer und haben ihn in der Nacht befreit. Dabei sind zwei seiner Wächter ums Leben gekommen.«
»Und wo ist er jetzt?«, fragte Ludwig ratlos. Er zog Karl unter seinen weiten
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