Die Welfenkaiserin
erklärte er stets nur, er sei auf die Vorschläge des Papstes nicht eingegangen und beabsichtige dies auch nicht zu tun. Ruadbern hatte ihr bereits erzählt, der Papst beharre auf der Wiederherstellung der Ordinatio imperii.
Ludwig sah fahl und ungesund aus. Er führte das auf furchtbare Krämpfe in seinen Eingeweiden zurück, die ihn seit der Ankunft auf dem Rothfeld bei Colmar plagten. Judith beriet sich mit Anna und dem Medicus und ließ ein schmerzlinderndes Gebräu herstellen, das dem Kaiser während der Verhandlungen alle paar Stunden gereicht wurde.
Am frühen Morgen des 27. Juni trug ihr Arne eine bedenkliche Nachricht zu.
»Gestern ist eine Gruppe von ungefähr hundert unserer Leute zu Lothar übergelaufen«, erzählte er der Kaiserin. »Sie behaupteten, lieber an der Seite ihrer alten Kriegsgefährten kämpfen zu wollen als für, als für …« Er stotterte.
»… eine böse Hexe«, vollendete Judith grimmig seinen Satz. Er senkte die Lider.
»Ich muss da hinaus!«, erklärte Judith plötzlich, »es mit meinen eigenen Sinnen sehen und hören!«
»Tut das nicht, Herrin!«, beschwor Arne sie. »Wie leicht könnte Euch da etwas widerfahren! Zumal Erzbischof Agobard gerade verkündet hat, zu des Kaisers Kriegern sprechen zu wollen!«
»Dann erst recht. Das muss ich hören – und sehen, wie die Männer darauf reagieren. Natürlich trete ich nicht als Kaiserin auf.« Mit hochgezogenen Augenbrauen musterte sie Annas Kleid.
»Verzeiht, Herrin«, meldete sich die Näherin zu Wort, »selbst in Lumpen würde man Euch als die Kaiserin erkennen! Und das wäre für Euch noch gefährlicher. Ihr wisst doch, wie böse die Leute auf Euch sind!«
Schon ihr Haar würde sie verraten. Sie musste die Goldpracht verhüllen. Am besten unter einem Eisenhelm.
»Arne, besorg mir eine Kriegerausrüstung, die mir passt.«
Entsetzt hob der Knecht die Arme, aber Judith ließ keine Einwände gelten.
»Geh schon. Schnell. Jemand, der einen riesigen Grenzstein versetzt, wird doch ein lächerliches Kriegerhemd und einen Helm für mich auftreiben können!«
»Ich habe keinen Grenzstein …«
Judith scheuchte ihn aus dem Zelt. Ihr Blick fiel auf das achtlos weggelegte Marderfell.
»Ich brauche einen Bart«, erklärte sie, »Anna, besorg Leim aus dem Küchenzelt!«
So kam es, dass Teile des Marders die Kaiserin doch noch begleiten sollten. Kurz geschnittene Tierhaare wurden unter der Nase, am Kinn und an den Schläfen der Kaiserin angebracht, dort, wo es unter dem Helm sonst goldblond aufgeblitzt hätte.
Arne erbeutete nicht nur die passende Kriegerkleidung, ein schweres Hemd mit vielen eisernen Kettenringen, sondern auch noch ein ganzes Wehrgehenk. Anna holte Wasser, stellte sich mit einem Bottich voller Wäsche vor das Zelt und lenkte mit verlockend anmutigen Bewegungen die beiden Wachen davor ab.
Dennoch scheiterte Judiths Versuch, als junger Mann unbemerkt aus dem Zelt der Kaiserin zu schleichen. Die Schnurrhaare kitzelten sie in der Nase. Ihr lautes Niesen zog augenblicklich die Aufmerksamkeit der Wachen auf sich.
Die Männer hielten sie mit gekreuzten Lanzen auf.
»Was treibst du im Zelt der Kaiserin?«
»Ich sollte der Herrin eine Botschaft des Kaisers überbringen«, erwiderte Judith, froh, dass sie zumindest ihre Stimme nicht zu verstellen brauchte. »Doch sie ist nicht anwesend.«
Die Wachen betrachteten einander verblüfft.
»Weshalb haben wir dich nicht eintreten sehen?«
»Bei diesem reizvollen Anblick wäre mir das wahrscheinlich auch entgangen«, bemerkte Judith und nickte zu Anna hinüber, die sich in ihrem ausgeschnittenen Kleid gerade so tief über den Bottich beugte, das mehr als nur der Ansatz ihrer Brüste sichtbar wurde.
Die Männer brummten, warfen einen Blick in das Zelt und stellten betroffen fest, dass die Kaiserin von ihnen unentdeckt hatte heraustreten können. Doch sie ließen den vermeintlichen jungen Mann immer noch nicht gehen. Einer der Wachen näherte sich ihm und fragte tuschelnd: »Sag schon, du gehörst doch auch zu denen, die der Kaiserin das zustecken, was ihr der Gemahl nicht gibt?« Er kniff ein Auge zu.
Judith unterdrückte Schreck und Wut.
»Ich stehe treu zur Kaiserfamilie und gebe nichts auf böswillige Verleumdungen«, antwortete sie fest. »Und euch rate ich das Gleiche.«
Damit wandte sie sich von den Männern ab und schritt, so forsch sie es in dem schweren Kettenhemd, das ihr bis zu den Waden ging und ihre Haut aufzuscheuern schien, und mit den an ihrer Seite
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