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Die Welfenkaiserin

Titel: Die Welfenkaiserin Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Martina Kempff
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Köhlerhütte zurückgelassen hat?«
    Überrascht blickte die junge Frau von ihrem Marderfell auf. Sie sah die Verzweiflung in Judiths Augen, las den dringenden Wunsch, jetzt von dem Fürchterlichen abgelenkt zu werden, das in den nächsten Stunden gewiss geschehen würde.
    Anna verspürte keine Angst vor einer Schlacht, die sie nichts anging, die weder sie noch ihren geliebten Arne gefährden würde, der als Knecht nicht mitzukämpfen brauchte. Sie hatte mit ihm bereits abgesprochen, sich davonzustehlen, während sich die Truppen von Vater und Söhnen niedermetzelten. Gemeinsam wollten sie nach Süden ziehen und in einer fremden Umgebung ein neues Leben anfangen. Arne, der in seiner einfachen Tracht zwischen den Lagern umherhuschte, hatte ihr gesagt, der Kaiser, die Kaiserin und deren Sohn seien nicht mehr zu retten. Sie würden sterben, von den eigenen Verwandten umgebracht werden; da sei nichts zu machen. In dieser Lage brauchte Anna nicht mehr zu befürchten, dass ihre Geschichte ein böses Licht auf sie werfen könnte.
    »Ich hatte die Narzissen vom Frühjahr getrocknet«, sagte sie, während sie das Marderfell wieder an den Saum legte und die Nadel durch Stoff und Pelz zog. »Weil ich mit den Blumen im Winter die Stube schmücken wollte.«
    Sie hielt inne und musterte mit zusammengekniffenen Augen den Sitz des Besatzes. »Und ich hatte Ameisen gesammelt, weil sie klein gemahlen gegen Entzündungen und andere Krankheiten helfen.«
    »Und was hat dein Mann dagegen einzuwenden gehabt?«, fragte Judith ungeduldig.
    »Mein Mann …« Anna stieß einen tiefen Seufzer aus und ließ die Nadel sinken, »… ist nie mein Mann gewesen, wenn Ihr versteht, was ich meine.« Purpurrot geworden, wandte sie den Blick ab. »Während meiner Ehe blieb ich so, wie ich geboren wurde … er war jung, aber dennoch nicht in der Lage … er konnte mir kein Kind machen«, flüsterte sie.
    Judith schloss die Augen. »Und was haben Narzissen und Ameisen damit zu tun?«, fragte sie heiser.
    »Mein Mann ist um Hilfe zu einer Kräuterfrau gegangen. Von ihr hat er etwas vernommen …«
    »Was?«
    »Vierzig Ameisen, in Narzissensud gekocht und getrunken, rauben die Manneskraft für alle Zeiten.«
    »Er hat geglaubt, du hast ihn absichtlich seiner Manneskraft beraubt?«
    Anna nickte. »Für ihn lagerten die Beweise deutlich sichtbar in der Stube. Früher habe er mühelos bei Frauen liegen können, sagte er. Und jetzt könne er … mit keiner.«
    »Und deswegen hat er dich dem Tod geweiht?«
    »Für ihn bin ich eine Hexe. Er berief sich auf das neue Gesetz des Kaisers gegen Zauberei. Erst wollte er mich in ein Weinfass sperren und in den Fluss werfen. Aber an Weinfässer ist kein leichtes Herankommen, und der Fluss führte noch nicht genügend Wasser.«
    »Warum hat er dich nicht gleich getötet?«, fragte Judith.
    »Das wollte er Gott überlassen. Aber der Herr wusste um meine Unschuld und hat mir Euch geschickt.«
    »Aber weshalb hat dich dein Mann deiner Haare beraubt?«
    Anna fuhr sich durch das hellblonde, mittlerweile wieder schulterlange Haar, das ihr ein fast männliches Aussehen verlieh.
    »Er glaubte, die Hexenkraft stecke wie bei Samson in meinen Haaren.«
    Hatten die Mädchen in der Brautschule auch angenommen, ihren Haaren wohne Zauberkraft inne, fragte sich Judith? Und sie ihr deshalb abgeschnitten? War vielleicht der böse Ruf, der ihr seit Jahren anhing, schon damals geboren geworden? Nun, die Leute hätten eines Besseren belehrt sein sollen, denn der Kaiser hatte sie trotz ihres Rattenkopfes ausgewählt.
    Mit hochrotem Gesicht stürmte Karl ins Zelt.
    »Der Heilige Vater kommt jetzt herüber!«
    Judith sprang auf. Anna stieß einen verzweifelten Schrei aus. Wieder hatte sich der Marderpelz vom Saum gerissen. Nachdenklich musterte die Näherin das in Streifen geschnittene Fell. Wohin sollte es noch führen, wenn schon ein totes Tier der Kaiserin so beharrlich die Begleitung verweigerte?
    Judith eilte zu Ludwig, der mit seinen Beratern vor dem Zelt saß und über die weite Ebene blickte, auf der die Heere seiner Söhne ausgerückt waren und sich in Schlachtenordnung seinem eigenen Heer gegenüber aufgestellt hatten. Niemals zuvor hatte Judith so viele Menschen versammelt gesehen. Es mussten Hunderttausende sein, deren Rüstungen und Schilde in der Mittagssonne aufblitzten. Ein Schauer lief ihr über den Rücken.
    Eine kleine Abordnung von zumeist langberockten Männern näherte sich von Lothars Seite aus dem kaiserlichen

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