Die Welfenkaiserin
Karl und stellte sich an Ludos Seite. »Beschütze mich, Schwager«, raunte sie ihm zu, »es soll dein Schaden nicht sein.«
Ludo musterte sie verächtlich. »Solches ist schon mal versprochen und nicht eingehalten worden«, erklärte er kühl und trat weg.
»Gebt sie mir!«, rief Irmingard. »Ich weiß mit Hexen umzugehen!« Ein irres Lachen, als gehörte sie selbst zu diesen Wesen, stieg aus ihrer Kehle. »Und ich will endlich meine Rache haben!«
»Ruhe, Frau!«, wies Lothar zu Judiths Erleichterung seine Gemahlin zurecht. »Hier geht es nicht um persönliche Rache, sondern um das Wohl des Reiches.« Er wandte sich an seine Brüder. »Seid ihr einverstanden, dieses Weib in meine Obhut zu geben?«
Die Brüder nickten.
Abt Markward trat vor.
»Wenn es gestattet ist, will ich mich des jungen Karls annehmen.«
»Annehmen reicht nicht«, erklärte Lothar streng. »Diesmal muss er geschoren und gemöncht werden! Unwiderruflich!«
Abt Markward neigte das Haupt und forderte Karl auf, sein Ross zu holen. Währenddessen winkte Lothar eine Gruppe vollbärtiger, abenteuerlich aussehender Reiter herbei. Sie trugen kein normales Wehrgehenk, sondern hatten unterschiedliche Waffen an ihren Gürteln befestigt und ähnelten eher einer wild zusammengewürfelten Räuberbande als ehrbaren Kriegsleuten.
»Nehmt sie mit euch wie verabredet!« Mit dem Kinn wies Lothar auf die Kaiserin.
»Halt!«, sprach Ludwig mit dem letzten Rest seiner Autorität. »Ich verlange, dass meine Gemahlin ihrem Stand entsprechend behandelt wird.«
»Welcher Stand das ist, bleibt noch zu bestimmen«, erklärte Lothar höhnisch.
Ludwig trat so nahe an seinen ältesten Sohn heran, dass dieser den heißen Atem des Vaters auf der Wange spürte. »Auch als dein Gefangener, mein Sohn, kann ich es dir noch sehr ungemütlich machen«, drohte er leise, wandte sich dann um und sagte zu den anderen beiden Brüdern: »Wenn ich zustimmen soll, dass euer Wille geschehe, meine Söhne, Blut von meinem Blut, verlange ich von euch ein Versprechen. Dass meine Gemahlin lebendig, unverstümmelt und unbelästigt bleibt.«
Lothar neigte das Haupt. »Ich schwöre hiermit«, sagte er laut und deutlich, »dass deine Gemahlin, meine Stiefmutter, lebendig, unbehelligt und heil ihr Ziel erreichen wird.«
»Welches Ziel?«, fragte Ludwig rasch.
»Bedauerlicherweise steht es mir nicht an, dir dies mitzuteilen, verehrter Vater«, erwiderte Lothar, »aber diese Männer …«, er deutete auf die verlotterte Schar, »werden jede Räuberbande in die Flucht schlagen und den Schutz deiner Gemahlin sicherstellen. Diese Leute sind gewohnt, ihre Beute unbeschadet ans Ziel zu bringen.«
Judiths Zelter war herbeigeführt worden. Als letzten Dienst, den ihr der Kaiser noch erweisen konnte, half er ihr in den Sattel. Sie drückte Ludwigs Hand fest, als sie oben saß, und formte mit dem Mund das Wort: »Bald.«
Von Weib und Kind verlassen, wurde der Kaiser wieder in sein Zelt geführt. Er sollte sich dort so lange aufhalten, bis über sein weiteres Schicksal beschlossen worden war. Dies stellte die drei Brüder vor ein erheblich schwierigeres Problem als die Entscheidung über die gemeinsame Feindin. Lothar sprach sich für des Vaters sofortige Absetzung aus. Der Zeitpunkt erschien ihm geeignet, und die Grafen Wala sowie Hugo von Tours bestärkten ihn in seiner Meinung.
»Bedarf es nach dem Überlaufen Tausender Männer aus des Kaisers Reihen überhaupt noch einer förmlichen Absetzung?«, fragte Graf Hugo. Graf Wala gab zu bedenken, dass langwierige Verhandlungen darüber zu neuem Streit führen könnten und es sinnvoller sei, den gewonnenen Vorteil zu nutzen.
»Denkt nur an Nimwegen – wie Ludwig uns da hereingelegt hat!«, erinnerte Graf Hugo die Versammelten an das Ende des ersten Aufstandes drei Jahre zuvor.
Einfach wurde es Lothar nicht gemacht. Seine Brüder Pippin und Ludo beriefen sich auf ebendiese Zeit nach der ersten Erhebung, als ihnen Lothar ihre Rechte und Länderanteile beschnitten hatte.
»Wir trauen dir nicht, Bruder«, sagten sie ihm offen und zogen sich zu einer Beratung unter vier Augen zurück. Als sie das Versammlungszelt wieder betraten, verkündeten sie ihren Beschluss: Lothar dürfe die Geschäfte führen, aber der Vater solle vorerst zumindest dem Namen nach weiterhin Kaiser bleiben.
»Unter meiner Obhut!«, verlangte Lothar, seinen Unmut verbergend.
Pippin und Ludo stimmten zu, nahmen Lothar jedoch das Versprechen ab, den Vater würdig zu
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