Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen

Die Welfenkaiserin

Titel: Die Welfenkaiserin Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Martina Kempff
Vom Netzwerk:
Holzganges, verurteilt der Kaiser seinen Neffen zum Tode und begnadigt ihn dann zur Blendung. An deren Folgen stirbt König Bernhard am 17. April. Damit bringt Ludwig den größten Teil des Adels gegen sich auf. Der hatte ihm bereits die Vertreibung der klugen Berater seines Vaters, vor allem des Grafen Wala, übel genommen. Als ein halbes Jahr später Kaiserin Irmingard stirbt, wird dies von manchen als Strafe des Himmels gesehen. Auch der Kaiser furchtet nun den Zorn des Herrn und will sich als Mönch in ein Kloster zurückziehen. Doch die Männer, denen er als Berater an seinem Hof zu hohem Ansehen, Reichtum und viel Macht verholfen hat, allen voran sein Milchbruder, der in Unfreiheit geborene Ebbo Bischof von Reims, beschwören ihn, im Amt zu verbleiben und schnell wieder zu heiraten. Sie wünschen, ihn mit den schönsten Mädchen des Reichs zu verlocken, und wollen seinen Sinn auf ein edles Kind lenken, dessen Vater in keinerlei Verbindung zum Hof Karls des Großen gestanden hat. Sie glauben, mit einem solchen neuen Vasallen den Einfluss der Gegner des Kaisers beschneiden zu können. Anders als Kaiserin Irmingard, die große Macht auf den Kaiser ausgeübt hat, soll die neue Gemahlin demütig und fügsam sein, jedoch im Sinne der Berater auf den Kaiser einwirken. Nach byzantinischem Muster wird in Aachen eine Brautschau abgehalten. Die ersten Jungfrauen sind bereits in der Karlstadt eingetroffen.
    Im Jahr 818
    Judith blickte ihre Tante überrascht an, doch ehe sie sich erkundigen konnte, was sie zu dieser seltsamen Äußerung getrieben hatte, erklang eine Kinderstimme: »Wer ist die Frau, Mutter?«
    Gerswind fing sich und schob Judith ein kleines Mädchen mit langen hellroten Zöpfen und wasserblauen Augen zu.
    »Umarme deine Base, Adeltrud«, forderte sie ihr Kind auf. »Das ist Judith, die Tochter meiner Schwester Heilwig.«
    Judith hatte den Pelz und das Tuch abgenommen und schüttelte jetzt ihre Haare aus, die im Schein der Herdflammen golden aufblitzten und ihr Haupt wie einen Heiligenschein umschimmerten. Sie bückte sich zu der etwa Siebenjährigen hinunter und streichelte ihr die mit Sommersprossen übersäte Wange.
    »Bist du ein Engel?«, fragte das Kind murmelnd. Es legte seine dünnen Ärmchen um Judiths Hals und strich mit den Fingern vorsichtig über das seidige Goldgespinst ihres Haars.
    Judith küsste das Kind auf den Scheitel. »Ja, kennst du mich denn gar nicht mehr, Adeltrud?«, fragte sie sanft. »Erinnerst du dich nicht mehr daran, wie ich am Kaiserhof mit dir gespielt habe?«
    »Sie war noch sehr klein«, sagte Gerswind schroff. »Wie sollte sie sich da an irgendwen erinnern?« Die Bitterkeit verschwand aus ihrer Stimme, als sie ihre Tochter bei der Hand ergriff und versetzte: »Komm, Adeltrud, ich bringe dich jetzt ins Genitium. Da wirst du heute übernachten. Du weißt doch, Großmutter Gislind braucht deine Augen.«
    »Großmutter Gislind?«, fragte Judith überrascht.
    »Die Witwe Gislind hat uns sehr beigestanden, als wir vor vier Jahren hierher flüchten mussten«, antwortete Gerswind. »Eine andere Großmutter kennt mein Kind nicht.«
    »Aber das Genitium …«, Judith brach ab, sah Gerswind vielsagend an und setzte leise hinzu: »Solche Frauen …«
    Ihre Mutter Heilwig hatte die Arbeiterinnen im Altdorfer Genitium stets als ›lose Dirnen‹ bezeichnet, die vom Glauben abgefallen seien und denen man mit strenger Zucht begegnen müsse.
    »Ehrenwerte Frauen«, erwiderte Gerswind mit einer Stimme, die keinen Widerspruch duldete. »Die schwer zu arbeiten verstehen. Es schadet Adeltrud nicht, ihnen zur Hand zu gehen. Ich selbst war kaum älter, als ich dort meinen Lebensunterhalt verdienen musste.«
    Judith schwieg. Es gab so vieles aus Gerswinds Leben, von dem sie nichts wusste.
    »Warum musstest du vom Hof flüchten?«, fragte sie fast unhörbar.
    »Weil Kaiser Ludwig alle Buhlen seines Vaters vertrieben und deren Kinder in Verliese geworfen hat«, erwiderte Gerswind. »Vor diesem Schicksal konnte ich uns bewahren. Und Ruadbern auch, Hruodhaids Sohn, falls du dich an ihn noch erinnern kannst.«
    Judith nickte nachdenklich und fragte sich, ob sie am Hof noch viele ihrer alten Freunde wiedertreffen würde.
    »Ein lustiger kleiner Knabe, dieser Ruadbern«, erinnerte sie sich, »der mir Kämme, Spangen und Fibeln gestohlen hat.«
    »Und sie wie Reliquien hütete«, setzte Gerswind hinzu. »Er war zwar nur so alt wie Adeltrud, aber einen hartnäckigeren Verehrer hättest du wohl kaum

Weitere Kostenlose Bücher