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Die Welfenkaiserin

Titel: Die Welfenkaiserin Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Martina Kempff
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hervorragend geschützt, brauchte nicht mehr zu befürchten, von ihrem Bruder an irgendeinen würdigen Edlen verschachert zu werden, und würde über eine größere Unabhängigkeit verfügen als sonst eine Frau im Reich.
    Gerswind drückte die Tür zu ihrer Hütte behutsam auf. Das Feuer auf der Kochstelle in der Mitte des Raums war fast gänzlich heruntergebrannt. Auf dem Bett daneben lag Judith lang ausgestreckt mit geschlossenen Augen. Im Licht der Glut schimmerte ihr Antlitz, als wäre es aus durchscheinendem rosa Marmor gemeißelt. Eine schlafende Göttin, dachte Gerswind versonnen, als sie mit einem großen Holzlöffel etwas Glut in ein Schälchen häufte. Aus den Kräuterbüscheln von der Decke zupfte sie ein paar zusammengerollte Blättchen Weihrauch, etwas Myrrhe, ein paar Nadeln Rosmarin und eine Spur Eisenhut. Sie zerkrümelte die Kräuter zwischen den Fingern, streute sie auf die Glut in der Schale und schabte etwas Engelwurz darüber.
    Dann kniete sie sich vor Judith hin, zog sich die Kette über den Kopf, nestelte den Diamantring von der Goldschnur und wollte ihn auf das Häufchen Kräuter legen, das bereits zu glimmen begonnen hatte.
    Judith begann sich zu regen. Sie sog hörbar die Luft ein.
    »Die gute alte Zauberei?«, fragte sie. Ihre Stimme klang spöttischer, als sie beabsichtigt hatte. »Entschuldige bitte«, fügte sie hinzu. Sie setzte sich auf, wischte sich den Schlaf aus den Augen und berührte Gerswind sanft an der Schulter.
    »Ich weiß schon«, erwiderte Gerswind freundlich und pustete in die Schale. Eine schmale Rauchsäule stieg empor. »Du hast mir ja schon vor über vier Jahren mitgeteilt, dass du damit nichts mehr zu schaffen hast.«
    Nicht mit deiner Naturmagie, dachte Judith, die habe ich längst hinter mir gelassen. Weil ich Kräfte entdeckt habe, die weit darüber hinausgehen, großartige Kräfte, die mir aber so viel Angst machen, dass ich es kaum wage, sie einzusetzen.
    »Schade«, fuhr Gerswind unbekümmert fort. »Du warst so viel begabter als ich. Das habe ich schon gemerkt, als du noch ganz klein warst.«
    Gerswind griff nach Judiths linker Hand und ließ den Ring über ihren Mittelfinger gleiten. Er passte mühelos.
    Sprachlos starrte Judith auf den großen Diamanten.
    »Er gehört dir«, sagte Gerswind.
    Judith zog den Ring ab und drückte ihn Gerswind wieder in die Hand.
    »Das kann ich nicht annehmen«, wehrte sie ab. »Er ist viel zu wertvoll. Damit kannst du dir doch ein erheblich besseres Leben leisten als …«, sie machte eine hilflose Gebärde, die den kargen Raum und alles, was sich in ihm befand, einschloss. Schnell versuchte sie ihre Unhöflichkeit mit einer Frage zu vertuschen: »Woher hast du diesen Ring?«
    »Er ist mir vor vielen Jahren auf den Kopf gefallen«, antwortete Gerswind wahrheitsgemäß. »Vermutlich hat ihn ein Vogel verloren, weil er ihm zu schwer wurde.«
    Das hatte sie damals wirklich geglaubt. Als aber niemand den Verlust des kostbaren Rings meldete und sie später die ihm innewohnende Kraft entdeckt hatte, war eine andere Vermutung in ihr aufgestiegen. War es wirklich reiner Zufall gewesen, dass sie dieser Ring genau an jenem Tag am Kopf getroffen hatte, als König Karl endlich von der Leiche seiner Gemahlin Fastrada abgelassen hatte? Sie entsann sich, wie ihr Mentor Teles, der sich vorzüglich auf Zauber verstanden hatte, damals zu Hilfe gerufen worden war, um den König zu Verstand zu bringen. Vielleicht hatte die tote Fastrada den Ring noch getragen, Teles ihn ihr abgenommen, aus dem Fenster geworfen und Karl damit dem Bann entzogen? Der Gedanke, der damalige König sei nicht abartig gewesen, sondern nur kurzzeitig Opfer eines Dämons geworden, hatte sie getröstet, als sie sehr viele Jahre später seine Geliebte wurde.
    »Pass gut auf«, sagte Gerswind und legte den Ring auf die glimmenden Kräuter in der Schale. Judith kniff die Augen zusammen, um noch schärfer sehen zu können, und blickte konzentriert auf den goldenen Reif. Einen kurzen Augenblick lang glaubte sie zu sehen, dass er sich bewegte, wie eine zusammengerollte Schlange, die sich aufrichtet und die Zunge herausschnellen lässt. Der Diamant schien Feuer zu sprühen. Es ging jedoch so schnell vorüber, dass sie vermutete, jener Sinnestäuschung erlegen zu sein, die ein intensiver Blick auf Feuer und Rauch mit sich bringen kann. Mit Sinnestäuschungen kannte sie sich aus.
    »Was sagst du da?«, fragte sie Gerswind, die etwas vor sich hingemurmelt hatte.
    »Nichts von

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