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Die Welfenkaiserin

Titel: Die Welfenkaiserin Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Martina Kempff
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Bedeutung«, erwiderte Gerswind, nahm mit bloßen Fingern den Ring aus der Schale und legte ihn behutsam auf den steinernen Rand der Feuerstelle.
    Misstrauisch beäugte Judith ihre Tante. »In solch einer … Verfassung sagst du nichts ohne Grund, ich kenne dich doch!«
    »Also gut, ich habe dir den Ring geweiht. Jetzt darfst du ihn nicht mehr ablehnen.«
    Judith erhob sich vom Bett, ging ein paar Schritte durch die Kammer und breitete die Arme aus.
    »Gerswind! Dieser Ring ist eine große Kostbarkeit. Sein Verkauf würde dich von allen Sorgen befreien!«
    »Ich habe keine Sorgen und alles, was ich brauche.«
    »Du könntest eine Schule für Mädchen einrichten!«
    Gerswind lachte bitter. »Die ist hier weder für Geld noch für gute Worte durchzusetzen.«
    »Eine Mitgift für Adeltrud!«
    »Er ist deine Mitgift, Judith. Von mir.« Sie hob den inzwischen erkalteten Ring vom Stein und griff wieder nach Judiths Hand.
    »Ich kann dir nicht das einzig Kostbare in deinem Besitz abnehmen«, sagte Judith, als ihr Gerswind den Ring abermals überstreifte. Ihre Stimme klang nicht mehr so überzeugt wie zuvor.
    »Das tust du nicht. Ich gebe dir den Ring. Weil du jetzt eine bessere Verwendung für ihn hast als ich. Das wirst du später schon merken. Trage ihn immer, und gehe klug mit ihm um. Versprichst du mir das?«
    Judith streckte die Finger aus und bewunderte nachdenklich den funkelnden Diamanten. »Ich nehme ihn nur an und werde ihn nur dann immer tragen, wenn du mir versprichst, dich bei mir zu melden, wenn du dich in Nöten befindest«, sagte sie.
    »Selbstverständlich«, erwiderte Gerswind. »Der Ring gehört jetzt dir. Pass gut auf ihn auf. Und auf dich.«
    »Warum willst du unbedingt verhindern, dass mich Kaiser Ludwig heiratet?«, fragte Judith unvermittelt.
    »Ach, das.« Gerswind tat, als hätte sie ihre Worte vom Nachmittag vergessen. »Ich war nur erschrocken und habe mich zu einer unbedachten Äußerung hinreißen lassen.«
    »Du hast also nichts dagegen, sollte mich Ludwig auf der Brautschau erwählen?«
    »Es ist kein Geheimnis, dass ich ihn nie sonderlich leiden mochte«, erwiderte Gerswind leichthin.
    Innerlich erschauerte sie, als ihr zum zweiten Mal an diesem Tag die letzte Begegnung mit Ludwig vor Augen stand. Er war einen Monat nach dem Tod seines Vaters in Aachen eingeritten und außer sich, dass man Gerswind nicht wie Karls andere Beischläferinnen vom Hof verjagt hatte. Vermutlich hatten seine Schergen nicht gewagt, Hand an die Frau zu legen, die in den kaiserlichen Gemächern wohnte und von der gemunkelt wurde, sie sei dem alten Kaiser anverlobt gewesen. Gerswind selbst hatte den Hof nur deshalb noch nicht verlassen, weil sie sich verantwortlich dafür fühlte, dass sich Ludwigs Schwester Hruodhaid nach dem Mord an ihrem Lebensgefährten Hedoin umgebracht hatte. Sie sah es als ihre Aufgabe an, deren Kind zu schützen. Mit blankgezogenem Schwert, als erwartete er, dass Gerswind ihm nach dem Leben trachtete, war Ludwig in ihr Gemach gestürzt. Erschrocken war sie von ihrer Bank aufgesprungen, hatte den dreiteiligen Planetentisch vor sich als Schutzschild umgeworfen, Ruadbern, der neben ihr gesessen hatte, dahintergestoßen und den Körper des Knaben mit ihrem Leib bedeckt. Ludwig trieb sein Schwert durch das Silber des Tisches. Unversehrt hatte sich Gerswind mit dem schreienden Knaben auf dem Arm erhoben. »Wir sind in deiner Hand«, hatte sie tonlos gesagt. »Du hast Ruadberns Eltern auf dem Gewissen. Deine eigene Schwester hast du in den Tod getrieben. Töte also auch uns. Der allmächtige Gott wird dich strafen, und das Höllenfeuer ist dir gewiss.« Erst hatte es so ausgesehen, als wollte sich Ludwig mit noch größerer Wut auf sie stürzen, aber dann war er unvermittelt zusammengebrochen, auf die Knie gesunken und in Tränen ausgebrochen. Sie schüttelte die Erinnerung ab und wandte sich wieder lächelnd an Judith, die sehr nachdenklich Gerswinds Mienenspiel betrachtet hatte.
    »Ehrlich gesagt, würde ich lieber einen anderen Mann an deiner Seite sehen«, gab sie schließlich zu. »Aber solltet ihr beide aneinander Gefallen finden, wer bin ich schon, um eine solche Heirat zu verhindern?« Sie hob die Arme und umschrieb mit ihnen den Inhalt der kleinen Hütte, genau wie Judith es kurz zuvor getan hatte. Aufrecht stehend hielt sie einen Augenblick lang ihre Arme reglos ausgebreitet mit den Handflächen nach oben. Ohne jeglichen Schmuck, in ihrem schlichten braunen Wollkleid und mit dem

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