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Die Welfenkaiserin

Titel: Die Welfenkaiserin Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Martina Kempff
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erinnerte sich an die Rasereien seiner Mutter, die der Sächsin Gerswind heidnische Zauberkraft unterstellt hatte. War es denn gänzlich ausgeschlossen, dass sich der Reif doch bewegt hatte?
    »Woher stammt dieser Ring?«, fragte er misstrauisch.
    »Er gehörte einst Königin Fastrada, der Gemahlin Karls des Großen, und kam von ihr auf mich über.«
    Gut, dass seine Mutter davon nichts gewusst hatte. Solch eine Kostbarkeit hatte ihr der alte Kaiser nie geschenkt.
    »Und warum soll er mit Ludwig begraben werden? Warum gibst du ihn nicht deiner Nichte Judith, der Frau des Kaisers?«
    »Genau das habe ich getan. Es ist ihr Wunsch, dass ich mit ihm hier bin.«
    »Judiths Wunsch ist mir Befehl«, sagte Drogo, der sich jetzt dunkel daran erinnerte, dieses auffallende Geschmeide vor langer Zeit an Judiths Hand gesehen zu haben. Er nickte, als Gerswind nun doch bat, Ludwigs Zelt betreten zu dürfen, und ging ihr voran. Erst als sie am Lager des sterbenden Kaisers standen, fragte er sich, woher sie wohl gewusst haben mochte, ihn auf dieser Rheininsel fernab von Frankfurt finden zu können.
    Verrat, dachte Judith als Erstes, Äbtissin Philomena hat mich verraten! In der Besucherkammer der Abtei starrte sie in zwei gefrorene Teiche und fragte stumpf: »Was willst du hier?«
    »Soweit ich weiß, hast du mich rufen lassen«, erwiderte Bernhard. »Um zu verhandeln, wenn ich deinem Gedächtnis auf die Sprünge helfen darf.«
    »Dein Sohn hat sein Leben verwirkt«, sagte Judith. Sie war verärgert, dass die Äbtissin ohne ihr Einverständnis und ohne Rücksprache mit ihr dieses Treffen herbeigeführt hatte.
    »Welcher?«
    Mit diesem einzigen Wort zerstob der Nebel in Judiths Kopf. Sie konnte wieder klar sehen und denken. Äbtissin Philomena hatte sie nicht hereingelegt, sondern durchaus vernünftig gehandelt. Hätte sie Judith Zeit gegeben, sich auf diese Begegnung vorzubereiten, wäre ihr mit Sicherheit zu vieles eingefallen, was sie Bernhard an den Kopf hätte werfen wollen. Sie wäre sich in Vorwürfen ergangen und hätte sich in Geschichten aus der Vergangenheit verstrickt. Doch gegenwärtig war nur ein Thema wirklich von Belang: Dass Pippin II. nicht Karls Heer in Poitiers angriff, nicht die Stadt und somit auch die Abtei verwüstete. Und dies würde der Siebzehnjährige nur dann wagen, wenn ihn der Graf von Barcelona und Septimanien dazu aufforderte. Genau dieses sollte Judith verhindern.
    »Ich spreche von deinem Sohn Karl«, antwortete sie geistesgegenwärtig. »Über das, was unvermeidlich ist, wenn du in diese Stadt einfällst.«
    »Mein Sohn Wilhelm ist als Geisel wahrscheinlich schon längst tot?«
    »Das scheint dich wenig zu berühren.«
    Schweigen. Bernhards Gesicht war aschfahl geworden. Judith musterte nachdenklich den alt und nahezu kahl gewordenen Mann, dessentwegen sie einst so viel aufs Spiel gesetzt hatte. Den Mann, den sie geliebt und gehasst hatte und für den sie heute nur kalte Verachtung empfand. Den Mann, ohne den es Karl nicht gegeben hätte. Sie verbot sich die Schlussfolgerung, dass es dann auch die vielen Kriege zwischen Vater, Söhnen und Brüdern und den drohenden Zerfall des Reiches nicht gegeben hätte. Lothar, Ludo und Pippin wären sich auch ohne Karl ins Gehege gekommen. Sie hatten ja schon als Kinder ständig miteinander gestritten und wären sich auf friedliche Weise nie einig geworden. Ein lauter Glockenschlag zerriss die Stille in der Besucherkammer der Abtei.
    »Die Sext«, sagte Judith zerstreut.
    »Ach ja, ich hatte ganz vergessen, wie gut du dich im Klosteralltag auskennst«, bemerkte er hämisch.
    Sie passte sich seinem Ton an.
    »Was ich auch dir zu verdanken habe.«
    »Hast du mich herbeirufen lassen, um mir mein Sündenregister vorzutragen?«
    »Verfügst du über so viel Zeit?«
    Bernhards eisiger Blick bohrte sich in ihre Augen.
    »Was ist mit meinem Sohn Wilhelm?«, fragte er hart.
    Judith antwortete nicht.
    »Sein Tod würde deiner Schwester Dhuoda das Herz zerreißen. Hast du jemals die wunderbaren Schriften gesehen, die sie Wilhelm mitgegeben und geschickt hat? Über die Werte des christlichen Lebens?«
    »Nein. Aber darüber hat sie schon als Kind Traktate verfasst. Die keiner lesen wollte.«
    »Ehrlich gesagt, habe ich sie mir auch nur aus Langeweile angeschaut. Damals, als ich darauf wartete, meine Arbeit am Hof wieder aufzunehmen, was ihr mir ja verweigert habt.«
    »Weshalb du uns dann deinen Sohn zum Fraß vorgeworfen hast!«
    »Und? Habt ihr ihn gefressen?«, fragte

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