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Die Welfenkaiserin

Titel: Die Welfenkaiserin Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Martina Kempff
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hatte, mit der ständigen Furcht vor Entdeckung, war sie von tiefster Dankbarkeit erfüllt.
    Auch Ludwig liebte Ruadbern, lobte seine unverbrüchliche Treue, seine Unbestechlichkeit und Beständigkeit – alles Eigenschaften, die er an seinen Söhnen nicht kannte. »Lass uns Ruadbern doch adoptieren«, hatte er einst scherzhaft zu Judith gesagt und sie damit zutiefst erschreckt.
    Denn da erst begriff sie, wie viel mehr sie sich dem Alter Ruadberns nahe fühlte als dem Ludwigs; dass sie ihren Mann wie einen treu sorgenden Vater liebte, er ihr jedoch das gleiche Gefühl entgegenbrachte wie sie Ruadbern.
    Zwangsläufig würde ihr Zusammenleben mit Ruadbern im Kloster nicht annähernd so innig sein können wie in Mürlenbach, aber auch hier wären sie für eine Weile der feindlichen Welt entzogen. Sie hatte schon vorher vermutet, dass die Äbtissin nichts gegen die Anwesenheit des einstigen Mönchs Niemand einzuwenden hätte. Schließlich hatte er sich in dieser Abtei als äußerst tatkräftig bewährt, auch wenn er dereinst durch den Geheimgang hineingekommen war.
    Hustend und von Fieberanfällen geplagt, zog Ludwig indes von Aachen über Bonn durch Hessen nach Thüringen. Als sich die Sonne am 3. Mai verfinsterte, stellte er in einem Waldgebiet seinen gleichnamigen Sohn. Da Ludo nur ein kleines Gefolge bei sich hatte, ging seine Festnahme nahezu ohne Blutvergießen vonstatten. Die Strafe für den aufrührerischen Sohn wollte Ludwig auf dem nächsten Reichstag am 1. Juli in Worms verkünden, zu dem auch Lothar aus Italien berufen wurde. Diesen Reichstag sollte Ludwig nicht mehr erleben, und das ahnte er auch.
    Mitte Mai fuhr er den Main hinab nach Frankfurt, wo er wenige Tage verblieb. Er verweigerte jegliche Speise, wissend, dass sein Ende nahte. Von seinem Halbbruder Drogo ließ er sich auf eine Rheininsel bei Ingelheim bringen, wo er in einem Zelt am Ufer den Tod erwarten wollte. Sonst war niemand bei ihm. Er bestand darauf, weder Judith noch seinen Söhnen oder Getreuen über seinen Zustand Bescheid geben zu lassen. Drogo hatte sogar das Gerücht streuen müssen, der Kaiser befinde sich auf der Jagd.
    Umso überraschter war der Erzkaplan, als am späten Abend des 19. Juni ein Kahn nahe dem Zelt des Kaisers anlegte.
    »Wer ist da?«, rief er scharf, als eine weibliche Gestalt aus dem Boot stieg.
    Sie gab die Frage genauso scharf zurück.
    »Erzkaplan Drogo.«
    »Drogo …« Die Stimme klang weicher. »Du wirst dich an mich nicht erinnern; ich kannte nicht nur Karl, deinen Vater, sondern auch Regina, deine Mutter. Wir wohnten im selben Haus. Wir teilten uns denselben Mann. Ich bin Gerswind.«
    Gerswind.
    Die Sächsin, die Beutefrau, die letzte Geliebte Karls des Großen, die Frau, die er vor seinem Tod hatte heiraten wollen. Wie hätte Drogo den Namen jener Frau vergessen können? Seine Mutter hatte Gerswind noch auf dem Totenbett verflucht und versichert, ohne dieses Weib wären er und sein Bruder Hugo nicht als Bastarde auf die Welt gekommen, sondern als Kaisersöhne ehelich geboren worden. Vor ihm stand also die Frau, die allein durch ihr bloßes Dasein verhindert haben mochte, dass sich eine Generation zuvor bereits drei Söhne des großen Karls um jenes Reich zerstritten, um das sich jetzt drei Söhne und ein Enkel rauften. Nach den Geschehnissen der vergangenen zwanzig Jahre mochte Drogo seiner Mutter allerdings nicht mehr so recht glauben. Karl der Große hatte klug daran getan, nach dem Tod seiner letzten Ehefrau nicht wieder zu heiraten und weitere Thronbewerber in die Welt zu setzen.
    »Ich kenne dich wohl, Frau Gerswind«, sagte er höflich und setzte etwas gröber hinzu: »Was willst du hier?«
    »Meinen Frieden machen«, sagte sie knapp.
    »Bist auch du in die Kriege verwickelt?«, fragte er verwundert.
    Ich bin die Mutter des Krieges.
    »Nein«, antwortete sie heiser und streckte eine Hand aus, in der sich ein kleiner Gegenstand befand. »Dieser Ring möge mit dem Kaiser begraben werden, wenn Gott ihn zu sich nimmt. Das ist mein Wunsch und meine Bitte.«
    Drogo trat näher, nahm den Ring an sich und betrachtete ihn. Selbst im schwachen Mondlicht sprühte der Diamant Funken. Das Gold des Reifs sah wie eine zusammengerollte Schlange aus. Drogo zuckte zusammen, als er eine lichte Bewegung der toten Materie zu sehen glaubte, und schalt sich dann einen Narren.
    »Ein sehr wertvolles Schmuckstück«, sagte er.
    »Viel mehr als nur das.«
    »Willst du es dem Kaiser nicht selbst geben?«
    »Nein.«
    Drogo

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