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Die Welfenkaiserin

Titel: Die Welfenkaiserin Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Martina Kempff
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heiraten. Manchmal war es besser, nicht allzu viel zu wissen.
    »Sieh mich an«, bat er leise.
    Judith hob den Blick. Alle Härte war aus den Zügen des Kaisers verschwunden. Judith begriff und holte erleichtert Luft. Sie würde nicht bestraft werden. Ein winziges Lächeln stahl sich in ihre Mundwinkel. Kaiser Ludwig beugte sich zu ihr herab, küsste sie auf die edel geformten Lippen und sagte dann: »Der dänische König hat wohl gesprochen, meine Judith. Ich zweifele nicht im Geringsten daran, dass du mich glücklich machen wirst. So bald wie möglich werden wir Hochzeit halten.«
    Judith neigte das Haupt und senkte die Lider; in Demut und Dankbarkeit, wie Ludwig vermutete. In Wahrheit aber fürchtete sie, er könne ein schelmisches Funkeln in ihren Augen entdecken, das dem Ernst der Lage nicht angemessen gewesen wäre. Ihr war nämlich plötzlich durch den Kopf geschossen, dass sie als Kaiserin für Bernhard unerreichbar wäre. Ein sehr beruhigender Gedanke.
    Irmingard wendete ihre Stute, schlug ihr auf die Flanken und galoppierte auf die Schlucht zu.
    »Spring!«, rief sie. Da traf sie ein derart heftiger Schlag in die Seite, dass sie vom Pferd stürzte.
    »Du bist verrückt geworden!« Schwer atmend beugte sich Hugo von Tours über die Tochter, die er im letzten Augenblick heruntergestoßen hatte.
    Irmingard versuchte aufzustehen, konnte aber die Beine nicht bewegen. Sie riss ihrem Vater das Schwert aus der Scheide. Doch wieder war er schneller. Bevor sie ihren Oberkörper darüber beugen konnte, hatte er ihr die Waffe entwunden.
    »Töte mich!« Mit wildem Blick starrte ihn Irmingard an. »Diese Schande überlebe ich nicht!« Sie brach in furchterregendes Geheul aus. »Diese Hexe! Der Kaiser gehört mir! Jeder wusste das! Ich kann mich nirgendwo mehr sehen lassen!«
    »Bleibt, wo ihr seid, wir kommen gleich!«, rief der Graf seinen Begleitern zu. Er hockte sich neben seine Tochter auf den harten Erdboden und ließ Irmingard erst einmal toben. Sie verfluchte die Nonne Gerberga und Judith, von der sie sich böse getäuscht fühlte. »Nur mit Zauberkraft hat sie den Sinn des Kaisers wenden können«, fauchte sie ihren Vater an. »Der Sinn meines Lebens ist dahin! Du musst mich töten!«
    »Damit ist nichts gewonnen«, entgegnete er ruhig. »Was sollte dein Tod bewirken? Nur lebend wirst du beweisen können, dass der Kaiser eine Hexe erwählt hat. Nur lebend kannst du deine Feindin vernichten.«
    »Wie?«, krächzte Irmingard, vom vielen Geschrei heiser geworden.
    »Indem du am Hof bleibst. Ihr schöntust. Sei so verlogen zu ihr wie sie zu dir in der Brautschule. Versprich, ihr zu dienen, und lass sie zu gegebener Zeit in eine Falle laufen. Unser frommer Kaiser wird eine Frau, die mit der Unterwelt verkehrt, nicht an seiner Seite dulden. Und dann ist deine Stunde gekommen.«
    Kopfschüttelnd blickte er auf ihr rechtes Bein, das unnatürlich abgebogen war.
    »Wir müssen ohnehin nach Aachen zurückreiten, damit dein Bein versorgt werden kann«, sagte er. »Da wirst du deine Zeit nutzen, die Kaiserin davon zu überzeugen, dass du ihre beste Freundin bist.«
    Der Wahnsinn in Irmingards Augen hatte einem hoffnungsvollen Glimmen Platz gemacht. »Für die hält sie mich bereits!«
    Graf Hugo atmete erleichtert aus.
    »Umso besser«, erwiderte er. »Aber unser Vorhaben erfordert sehr viel Zeit, Geduld und ein hohes Maß an Verstellung. Wirst du dafür die Kraft aufbringen – und dich nicht bei der nächsten Niederlage sofort wieder in einen Abgrund stürzen wollen?«
    »Mit all meiner Kraft«, gelobte Irmingard bitter, »werde ich Judith in den Abgrund stürzen. In die Hölle, wo sie hingehört!«
    Vorsichtig nahm Graf Hugo seine Tochter in die Arme und hob sie vom Erdreich.
    »Sie ist verletzt!«, rief er den Begleitern zu. »Wir brauchen eine Trage!«
    Die neue Aufgabe würde seine Tochter nicht nur am Leben erhalten, sondern passte auch bestens zu seinen eigenen Plänen. In denen keine Aufwertung des deutschen Reichsteils vorgesehen war. Auch nicht der Aufstieg des Welfengeschlechts. Sondern nur sein eigener.

4
    Aus den Chroniken der Astronoma
    Im Jahr des Herrn 821
    Es ist dies anfangs ein erfreuliches Jahr, denn der Kaiser versöhnt sich mit den einstigen Verschwörern um seinen Neffen Bernhard von Italien und gibt ihnen Würden und Güter zurück. Sie schwören dem Kaiser Treue und dienen wieder im kaiserlichen Rat. Dies geschieht auf dem letzten Reichstag des Jahres in Diedenhofen, wo alle Edlen ein weiteres Mal

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