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Die Welfenkaiserin

Titel: Die Welfenkaiserin Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Martina Kempff
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Kaiserin hatte höchst verärgert geklungen. So, als ob sie gestört worden wäre. Sie hatte genau das getan, was jede Frau mit einem unerwarteten Eindringling in ihrer Kammer getan hätte: ihn hinausgeworfen. Aber vielleicht hatte es auch nur Streit unter Liebesleuten gegeben.
    Ihr war aufgefallen, dass die versonnenen Blicke, mit denen Judith gelegentlich Bernhard bedachte, sich kaum von denen unterschieden, die sie, Irmingard, ihm einst selbst geschenkt hatte; zu einer Zeit, da ihr noch keine Nonne Gerberga die Krone der Kaiserin prophezeit und sie darunter gelitten hatte, mit ihrer Habichtsnase dem gängigen Schönheitsideal zu widersprechen. Als sie in Bernhard eine verwandte Seele und mögliche Zukunft gesehen hatte. Als sie geglaubt hatte, diesen kleinen, dicken, dunklen Sohn des Grafen von Toulouse zu lieben.
    Sie versuchte, Judith unbedachte Äußerungen zu entlocken. Vergeblich. Judith ging immer freundlich mit ihr um, zog sie aber nicht ins Vertrauen.
    Während sich Irmingard darüber ärgerte, die Tür in der Vertäfelung erst so spät entdeckt zu haben, suchte Bernhard Zeit zu gewinnen und herauszufinden, wie viel sie gehört haben mochte.
    »Ludwig hat mir kein Geheimnis verraten«, antwortete er laut lachend auf ihre Frage. »Ich meine Ruadbern. Diese Treppe. Seltsam, dass wir sie heute beide gesucht haben – aber ich habe sie vor dir gefunden!«
    »Ja, die Treppe …« Irmingard nickte. »Und wo führt sie hin?«
    »Direkt ins Gemach der Kaiserin, stell dir vor! Sie war nicht gerade beglückt, als ich plötzlich in der Wand stand! Sie hat mich fast die Stiege hinuntergeworfen!«
    »Das habe ich gehört. Und jetzt fürchtest du wohl um deinen Kopf.«
    »Aber nein«, sagte Bernhard gelassen. »Sie wird sich schon wieder beruhigen. Und erkennen, dass ich ihr einen Dienst erwiesen habe.«
    »Welchen denn?«, fragte Irmingard, immer noch verunsichert.
    »So ein Geheimgang ist doch gefährlich!«, erwiderte Bernhard empört. »Jetzt kann sie ihn zuschütten und die Wand vernageln lassen, damit sie nicht wieder ungebetenen Besuch erhält! Armer Ruadbern. Sie wird ihn ausschelten, dass er mir das Geheimnis verraten hat.«
    In Irmingards verkniffenem Gesicht las er unverändert Argwohn. Es könnte für ihn sehr gefährlich werden, wenn er Lothars Frau nicht sämtliche Bedenken austrieb. Und dafür gab es nur einen Weg. Auch wenn er noch zu wütend auf Judith war, als wirklich Lust auf ein anderes Weib zu verspüren. Er wusste, dass Lothar Irmingard nicht aus Liebe geheiratet hatte, seine Freuden woanders suchte und seine Gemahlin vernachlässigte. Und er wusste, dass Irmingard einst eine Schwäche für ihn gehabt hatte. Beides würde er sich zunutze machen.
    Er trat einen Schritt auf sie zu, wechselte in seine Samtstimme über und flüsterte: »Elfenbein.«
    »Wie bitte?«
    »Deine Haut«, murmelte er und senkte die Lider. »Feinstes Elfenbein. Das habe ich schon früher so an dir geliebt.« Mit verschleiertem Blick sah er wieder auf, tat, als gäbe er sich einen Ruck, und bemerkte in sachlichem Ton: »Entschuldige bitte. Auf was für dumme Gedanken man doch kommt, wenn man so allein ist und das schlechte Wetter zum Verweilen im Palatium zwingt. Erst suche ich eine versteckte Treppe, und dann lasse ich mich von einer verheirateten Frau verwirren, ausgerechnet der großen Liebe meiner Jugend. Es tut mir leid.« Es gelang ihm ein sehr betroffener Gesichtsausdruck.
    Irmingard sagte nichts.
    »Es ist besser, wir verlassen jetzt diese Kammer«, fuhr er fort. »Sonst wird es für dich hier zu gefährlich.« Er trat einen Schritt auf die Tür zu, damit näher an Irmingard heran, sah ihr seelenvoll in die Augen und flüsterte: »Du bist sehr verführerisch – und ich bin doch auch nur ein Mann!«
    Er hoffte, es auf der Stelle hinter sich bringen zu können. Sonst würde er Irmingard auf ähnliche Weise den Hof machen müssen wie einst Judith. Aber sie war keine Judith. Sie war eine blasse Ränkeschmiedin, die ihn in Lebensgefahr bringen konnte, wenn sie ihre Habichtsnase in Angelegenheiten steckte, die sie nichts angingen.
    »Es ist einsam am Hof, ohne Freunde«, seufzte Irmingard und rührte sich nicht von der Stelle. »Wann kommt Ruadbern aus der Schule?«
    »Erst am Nachmittag«, erwiderte Bernhard erleichtert und schob den Riegel vor. Kurz schoss ihm durch den Kopf, dass er drei Jahre zuvor im selben Zimmer die gleiche Handlung verrichtet hatte. Damals hatte er sein Ziel nicht erreicht. Das konnte er sich

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