Die Welfenkaiserin
sie sich vor, ihn nicht zu enttäuschen und ihn am nächsten Morgen für die Freuden der Nacht zu danken. Sie schmiegte sich an ihn, schlief nach den Anstrengungen dieses langen ereignisreichen Tages jedoch bald ein. Obwohl sich Ludwig kaum auf den Beinen hatte halten können, blieb er lange Zeit wach liegen. Er fuhr die Konturen von Judiths Körper mit den Händen nach, erfreute sich an ihrer schönen Gestalt und weichen Haut. Voller Ungeduld wartete er auf das Wunder. Erleichtert, dass sie schlief und somit nicht Zeugin seiner trostlosen Bemühungen wurde, versuchte er mehrere Stunden lang sein Glück. Doch jedes Mal, wenn er sich dem Paradies näherte, verwandelte sich der Schlüssel zu dessen Pforte in einen winzigen Wurm. Über all diese Versuche wurde er immer nüchterner und wacher. Der Morgen graute bereits, als er aus dem Bett sprang und voller Abscheu auf das prall aufgerichtete Geschlecht blickte, das im entscheidenden Augenblick so schmählich in sich zusammenzusinken pflegte. Die Unwürdigkeit seines Tuns entrüstete ihn, und er beschloss, in sein eigenes Gemach zurückzukehren und sich für den Gottesdienst anzukleiden. In der Morgendämmerung betrachtete er Judiths Gesicht, im Schlaf so jung, verletzlich und unschuldig. Er beugte sich zu ihr hinab und hauchte einen Kuss auf ihre Stirn, ehe er auf bloßen Füßen die Kammer verließ. Behutsam schloss er die Tür hinter sich. Und dann erstarrte er. Mit dem Rücken zu ihm kniete eine Magd auf dem Gang, schrubbte den Holzboden und summte leise vor sich hin. Ein goldblonder Haarstrang, der sich unter dem dunklen Kopftuch gelöst hatte, schwang im Takt der Putzbewegung mit. Wie auch das leicht erhobene verlängerte Rückenteil. Ludwig besann sich keinen Augenblick. Mit kaum unterdrücktem Stöhnen stürzte er sich auf die Frau, riss ihren Rock hoch und drang von hinten augenblicklich in sie ein. Als sie den Mund zum Schreien öffnete, legte er seine Hand darüber und schnaubte ihr ins Ohr: »Wehre dich nicht gegen deinen Kaiser!«
Vier Monate später wurde die Kaisertochter Gisela geboren. Zu Judiths Erleichterung zierte deren Kopf wie bei so vielen Sprösslingen des Kaiserhauses hellroter Flaum.
Ludwig war hocherfreut, dass ihn seine Frau so kurz nach der Geburt des Kindes im August zum Reichstag nach Attigny begleitete. Im Gegensatz zu seinem Vater, dem drei Ehefrauen unterwegs gestorben waren, verlangte er von seiner Gemahlin nie die Mitreise.
Einen Tagesritt vor Attigny lenkte er in einem Waldstück sein Ross neben ihres und bat sein unmittelbares Gefolge – den Kämmerer, den Marschall, den Truchsess, den Mundschenk – sowie die Männer der Scara, sich dem nahezu tausendköpfigen Tross anzuschließen. Keiner sollte hören, was er Judith endlich zu sagen hatte, keiner das Entsetzen sehen, das sich in ihrem Gesicht abzeichnen würde. Sie war eine stolze Frau, die sein Vorhaben nicht gutheißen und versuchen würde, ihn davon abzubringen. Genau deshalb hatte er nach Fassung seines Beschlusses doch davon abgesehen, sie einzuweihen. Nur sein Milchbruder Erzbischof Ebbo wusste Bescheid, denn der hatte entsprechende Vorkehrungen zu treffen.
»Es wird in Attigny nicht nur einen Reichstag geben«, begann er, als sie außer Hörweite waren.
»Ich weiß. Pippin wird dort heiraten«, erwiderte Judith fröhlich. »Lothars Eheschließung hat uns Glück und eine Tochter gebracht. Pippins bringt uns vielleicht einen Sohn!«
»Ich werde öffentlich Buße tun.« Endlich war es heraus.
Verständnislos starrte sie ihn an.
»Was für eine Buße?«
»Vor Gott und aller Welt. Hör mich an, Judith, ich bin ein schlechter Mensch gewesen.«
Ihre Augen weiteten sich vor Entsetzen, und ihr Magen schien das karge Mittagsmahl aus Getreidefladen und getrocknetem Fleisch nach oben zu drücken, als Ludwig vor ihr seine Sünden der Vergangenheit ausbreitete.
»Und deshalb muss ich mich endlich reinigen«, schloss er.
Judith erschien es unmöglich, über all das eben Gehörte, das Schreckliche, Unbegreifliche nachzusinnen. Das war nicht der Ludwig, den sie kannte; sie erahnte Gerswinds Ludwig. Mit dem hatte sie nichts zu schaffen, über den wollte sie nicht einmal nachdenken. Der heutige Ludwig war geläutert und sollte nach vorn schauen, nicht zurückdenken.
»Du darfst dich nicht vor aller Welt so demütigen!«, schrie sie ihn an und blickte sich im nächsten Augenblick entsetzt um. Erleichtert atmete sie aus. Die Scara war hinter einer Wegbiegung zurückgeblieben.
Weitere Kostenlose Bücher