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Die Welfenkaiserin

Titel: Die Welfenkaiserin Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Martina Kempff
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könnte, dass der Kaiser seinen Kopf mit dem persönlichen Versagen statt den Reichsgeschäften belastete.
    Sie sprachen nie darüber, doch Judith ahnte, wie sehr ihn sein Unvermögen im entscheidenden Augenblick quälen musste. Dabei hätte sie ihm gern gewährt, was ihr Liebhaber mittlerweile als sein Recht einforderte.
    Inzwischen hatte sie längst ergründet, wie verschlagen Bernhard vorgegangen war, um Tollheit in ihr auszulösen und ihre Liebesglut mit körperlichem und geistigem Geschick stets aufs Neue anzufachen. Wie begierig er sie darauf gemacht hatte, nach allen anderen Künsten auch die der Liebe zu meistern. Stets lieferte er ihr neue Gründe, ihn am Kaiserhof und in ihrem Bett zu halten.
    Sie schalt sich eine Närrin, diesen Mann mit den Eisaugen nicht längst fortgeschickt zu haben, fragte sich, was er wirklich von ihr wollte, und quälte sich mit der Frage, ob sie von ihm weniger besessen wäre, wenn auch Ludwig sie zu solcher Glückseligkeit hätte hinreißen können. Eine Glückseligkeit, die ihr den Verstand zu rauben drohte und ihr Gespür für Anstand stark beeinträchtigte.
    Mal für Mal schämte sie sich, wenn sie an der Tafel, neben Ludwig sitzend, die Liebkosungen von Bernhards Füßen zuließ. Sie hätte so gern ihren Mann nicht betrogen, aber so willig der Geist auch war, ihr Fleisch blieb hoffnungslos schwach. Manchmal hasste sie sich dafür.
    Ludwig gegenüber tat sie, als wäre ihr Bernhard körperlich zuwider, was sie aber in Kauf nähme, da er ihren Geist bereichere. »Wenn er mir doch sein Wissen aus einem anderen Raum vermitteln könnte«, sagte sie beispielsweise, »dann würde ich nicht darunter leiden, dass er so streng riecht!« Einmal fragte sie Ludwig gar, ob er ihr nicht einen schöneren Lehrer finden könne; sie fühle sich durch die gedrungene Gestalt bedrückt. Der Kaiser hatte gelacht und ihr geraten, die Augen zu schließen und die Ohren offen zu halten.
    Sie wurde immer gewitzter darin, ihren Gemahl zu täuschen.
    »Bleib so nahe wie möglich an der Wahrheit, damit du dich nicht verrätst«, hatte Bernhard ihr empfohlen. Geriet sie also mit dem Geliebten in Streit – was häufig geschah, da beide zum Befehligen neigten –, verheimlichte sie das nicht vor Ludwig, sondern beklagte sich darüber, dass es Bernhard ihr gegenüber an Achtung fehlen lasse. »Er behauptet, eine Frau habe in der Gemeinde zu schweigen«, brachte sie einmal empört hervor.
    »Er hat recht, denn so steht es geschrieben«, antwortete Ludwig und setzte hinzu: »Ich liebe dich zu sehr, meine Judith, als dass ich dir manche Wahrheit sagen könnte. Umso glücklicher bin ich, dass Bernhard mir diese unangenehme Arbeit abnimmt. Er lehrt dich Demut. Das tut dir gut und ist Gott gefällig.«
    Sie fragte Bernhard, ob es Gott wohl auch gefällig sei, dass er sie lehrte, feste Begegnungszeiten einzuhalten. »Alles, auch jedes unserer Treffen, muss ins vertraute Lebensmuster eingefügt werden, damit kein Verdacht aufkommt«, hatte er ihr stets eingeschärft.
    Aber diese Treffen würde es jetzt nicht mehr geben.
    Neues Leben reifte in ihr, und sie hatte jetzt das Opfer gebracht und sich von dem Mann getrennt, der es gezeugt hatte. Sie würde auf die unbeschreiblichen Wonnen verzichten, die er ihr zu bereiten verstand. Sie durfte sich dieses erregend prickelnde Gefühl nicht mehr erlauben, das ihren Körper auch jetzt noch beim Gedanken an Bernhards Liebkosungen durchströmte. Vom heutigen Tag an würde sie keusch an Ludwigs Seite leben. Als Kaiserin für das Wohl des Reichs und ihres Gemahls.
    Der Gedanke verlieh ihr frische Kraft. Die brauchte sie für ihr nächstes Gespräch. Ludwig musste überzeugt werden.
    Auf Bernhard wartete am Treppenabsatz eine böse Überraschung. Das wurde ihm in dem Augenblick deutlich, als er das Licht auf die unteren Stufen fallen sah. Er wusste genau, dass er die Vertäfelung wieder zurückgeschoben hatte. Er würde sehr schnell denken müssen.
    »Ist die hohe Frau heute etwa unpässlich?«, begrüßte ihn Irmingards spöttische Stimme, als er durch die Wandöffnung stieg.
    Bernhard zeigte seine Grübchen. »Aha, der Knabe hat dir also auch sein Geheimnis verraten!«, erklärte er fröhlich.
    »Welcher Knabe? Ludwig?« Irmingard war aus der Fassung gebracht. Das Hochgefühl, die Frau, die ihr den Kaiser weggenommen hatte, beim Ehebruch ertappen zu können, wich einer gewissen Unsicherheit. Bernhard hatte sich nur kurz im oberen Stockwerk aufgehalten, und die Stimme der

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