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Die Welt als Wille und Vorstellung (German Edition)

Die Welt als Wille und Vorstellung (German Edition)

Titel: Die Welt als Wille und Vorstellung (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Arthur Schopenhauer
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also im Verstande, geben aber deshalb keineswegs Anweisung auf eben so viele besondere Formen des Verstandes; sondern sind ganz und gar aus der einzigen Funktion, die der Verstand hat, nämlich der unmittelbaren Erkenntniß von Ursache und Wirkung, abzuleiten. Noch andere von jenen Formen endlich sind entstanden aus dem Zusammentreffen und der Verbindung der reflektiven und der intuitiven Erkenntnißart, oder eigentlich aus der Aufnahme dieser in jene. Ich werde nunmehr die Momente des Urtheils einzeln durchgehn und den Ursprung eines jeden aus den besagten Quellen nachweisen; woraus von selbst folgt, daß eine Deduktion von Kategorien aus ihnen wegfällt und die Annahme dieser eben so grundlos ist, als ihre Darstellung verworren und sich selbst widerstreitend befunden worden.
    1) Die sogenannte Quantität der Urtheile entspringt aus dem Wesen der Begriffe als solcher, hat Ihren Grund also lediglich in der Vernunft, und hat mit dem Verstande und der anschaulichen Erkenntniß gar keinen unmittelbaren Zusammenhang. – Es ist nämlich, wie im ersten Buche ausgeführt, den Begriffen als solchen wesentlich, daß sie einen Umfang, eine Sphäre haben, und der weitere, unbestimmtere den engem, bestimmteren einschließt, welcher letztere daher auch ausgeschieden werden kann; und zwar kann dieses entweder so geschehn, daß man ihn nur als unbestimmten Theil des weitem Begriffes überhaupt bezeichnet, oder auch so, daß man ihn bestimmt und völlig aussondert, mittelst Beilegung eines besondern Namens. Das Urtheil, welches die Vollziehung dieser Operation ist, heißt im ersten Fall ein besonderes, im zweiten ein allgemeines; z.B. ein und der selbe Theil der Sphäre des Begriffes Baum kann durch ein besonderes und durch ein allgemeines Urtheil isolirt werden, nämlich: »Einige Bäume tragen Galläpfel«; oder so: »Alle Eichen tragen Galläpfel«. – Man sieht, daß die Verschiedenheit beider Operationen sehr gering ist, ja, daß die Möglichkeit derselben vom Wortreichthum der Sprache abhängt. Desungeachtet hat Kant erklärt, diese Verschiedenheit entschleiere zwei grundverschiedene Handlungen, Funktionen, Kategorien des reinen Verstandes, der eben durch dieselben a priori die Erfahrung bestimme.
    Man kann endlich auch einen Begriff gebrauchen, um mittelst desselben zu einer bestimmten, einzelnen, anschaulichen Vorstellung, aus welcher, und zugleich aus vielen andern, er selbst abgezogen ist, zu gelangen: welches durch das einzelne Urtheil geschieht. Ein solches Urtheil bezeichnet nur die Gränze der abstrakten Erkenntniß zur anschaulichen, zu welcher unmittelbar von ihm übergegangen wird: »Dieser Baum hier trägt Galläpfel.« – Kant hat denn auch daraus eine besondere Kategorie gemacht.
    Nach allem Vorhergehenden bedarf es hier weiter keiner Polemik.
    2) Auf gleiche Weise liegt die Qualität der Urtheile ganz innerhalb des Gebietes der Vernunft, und ist nicht eine Abschaltung irgend eines Gesetzes des die Anschauung möglich machenden Verstandes, d.h. giebt nicht Anweisung darauf. Die Natur der abstrakten Begriffe, welche eben das objektiv aufgefaßte Wesen der Vernunft selbst ist, bringt, wie ebenfalls im ersten Buche ausgeführt, die Möglichkeit mit sich, ihre Sphären zu vereinigen und zu trennen, und auf dieser Möglichkeit, als ihrer Voraussetzung, beruhen die allgemeinen Denkgesetze der Identität und des Widerspruchs, welchen, weil sie rein aus der Vernunft entspringen und nicht ferner zu erklären sind, metalogische Wahrheit von mir beigelegt ist. Sie bestimmen, daß das Vereinigte vereinigt, das Getrennte getrennt bleiben muß, also das Gesetzte nicht zugleich wieder aufgehoben werden kann, setzen also die Möglichkeit des Verbindens und Trennens der Sphären, d. i. eben das Urtheilen, voraus. Dieses aber liegt, der Form nach, einzig und allein in der Vernunft, und diese Form ist nicht, so wie der Inhalt der Urtheile, aus der anschaulichen Erkenntniß des Verstandes mit hinübergenommen, in welcher daher auch kein Korrelat oder Analogen für sie zu suchen ist. Nachdem die Anschauung durch den Verstand und für den Verstand entstanden ist, steht sie vollendet da, keinem Zweifel noch Irrthum unterworfen, kennt demnach weder Bejahung noch Verneinung; denn sie spricht sich selbst aus, und hat nicht, wie die abstrakte Erkenntniß der Vernunft, ihren Werth und Gehalt in der bloßen Beziehung auf etwas außer ihr, nach dem Satz vom Grunde des Erkennens. Sie ist daher lauter Realität, alle Negation ist ihrem Wesen

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