Die Welt als Wille und Vorstellung (German Edition)
Folge eines andern, also durch eine Veränderung, entstanden sei, von welcher dann die Ursache zu suchen ist, und von dieser eben so: hier sind wir alsdann in dem endlosen Regressus begriffen, zu welchem die Anwendung des Gesetzes der Kausalität allemal führt. Oben wurde gesagt: » Dinge, d.h. Zustände der Materie «; denn nur auf Zustände bezieht sich die Veränderung und die Kausalität. Diese Zustände sind es, welche man unter Form, im weitem Sinn, versteht: und nur die Formen wechseln; die Materie beharrt. Also ist auch nur die Form dem Gesetz der Kausalität unterworfen. Aber auch die Form macht das Ding aus, d.h. begründet die Verschiedenheit der Dinge; während die Materie als in allen gleichartig gedacht werden muß. Daher sagten die Scholastiker: forma dat esse rei genauer würde dieser Satz lauten: forma dat rei essentiam, materia existentiam . Daher eben betrifft die Frage nach der Ursache eines Dinges stets nur dessen Form, d.h. Zustand, Beschaffenheit, nicht aber dessen Materie, und auch jene nur, sofern man Gründe hat, anzunehmen, daß sie nicht von jeher gewesen, sondern durch eine Veränderung entstanden sei. Die Verbindung der Form mit der Materie , oder der Essentia mit der Existentia , giebt das Konkrete , welches stets ein Einzelnes ist, also das Ding : und die Formen sind es, deren Verbindung mit der Materie, d.h. deren Eintritt an dieser, mittelst einer Veränderung , dem Gesetze der Kausalität unterliegt. Durch die zu weite Fassung dieses Begriffes in abstracto also schlich sich der Mißbrauch ein, daß man die Kausalität auf das Ding schlechthin, also auf sein ganzes Wesen und Daseyn , mithin auch auf die Materie ausdehnte, und nun am Ende sich berechtigt hielt, sogar nach einer Ursache der Welt zu fragen. Hieraus entstand der kosmologische Beweis. Dieser geht eigentlich davon aus, daß er, ohne alle Berechtigung, vom Daseyn der Welt auf ihr Nichtseyn schließt, welches nämlich dem Daseyn vorhergegangen wäre: zu seinem Endpunkt aber hat er die fürchterliche Inkonsequenz, daß er eben das Gesetz der Kausalität, von welchem allein er alle Beweiskraft entlehnt, geradezu aufhebt, indem er bei einer ersten Ursache stehn bleibt und nicht weiter will, also gleichsam mit einem Vatermord endigt; wie die Bienen die Drohnen tödten, nachdem diese ihre Dienste geleistet haben. Auf einen verschämten und daher verlarvten kosmologischen Beweis läuft aber all das Gerede vom Absolutum zurück, welches, im Angesicht der Kritik der reinen Vernunft, seit sechzig Jahren in Deutschland für Philosophie gilt. Was bedeutet nämlich das Absolutum? – Etwas das nun ein Mal ist, und davon man (bei Strafe) nicht weiter fragen darf, woher und warum es ist. Ein Kabinetstück für Philosophie-Professoren! – Beim ehrlich dargelegten kosmologischen Beweis nun aber wird überdies, durch Annahme einer ersten Ursache, mithin eines ersten Anfangs in einer schlechterdings anfangslosen Zeit, dieser Anfang durch die Frage: warum nicht früher? immer höher hinaufgerückt und so hoch, daß man nie von ihm zur Gegenwart herabgelangt, sondern stets sich wundern muß, daß diese nicht schon vor Millionen Jahren gewesen. Ueberhaupt also findet das Gesetz der Kausalität auf alle Dinge in der Welt Anwendung, jedoch nicht auf die Welt selbst: denn es ist der Welt immanent , nicht transscendent: mit ihr ist es gesetzt und mit ihr aufgehoben. Dies liegt zuletzt daran, daß es zur bloßen Form unsers Verstandes gehört und, mit sammt der objektiven Welt, die deshalb bloße Erscheinung ist, durch ihn bedingt ist. Also auf alle Dinge in der Welt, versteht sich ihrer Form nach, auf den Wechsel dieser Formen, also auf ihre Veränderungen, findet das Gesetz der Kausalität volle Anwendung und leidet keine Ausnahme: es gilt vom Thun des Menschen, wie vom Stoße des Steines; jedoch, wie gesagt, immer nur in Bezug auf Vorgänge, auf Veränderungen . Wenn wir aber vom Ursprung desselben im Verstande abstrahiren und es rein objektiv auffassen wollen; so beruht es im tiefsten Grunde darauf, daß jedes Wirkende vermöge seiner ursprünglichen und daher ewigen, d.h. zeitlosen Kraft wirkt, daher seine jetzige Wirkung schon unendlich früher, nämlich vor jeder denkbaren Zeit, eingetreten sein müßte, wenn nicht die zeitliche Bedingung dazu gefehlt hätte: diese ist der Anlaß, d.h. die Ursache, vermöge welcher allein die Wirkung erst jetzt , jetzt aber nothwendig eintritt: sie ertheilt ihr ihre Stelle in der Zeit.
Allein in Folge der
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