Die Welt als Wille und Vorstellung (German Edition)
müssen wir annehmen, daß Laplace jene Kantische Lehre gekannt hat. Zwar stellt er, wie es seinen tiefem astronomischer Kenntnissen angemessen ist, die Sache gründlicher, schlagender, ausführlicher und doch einfacher dar, als Kant ; aber in der Hauptsache ist sie schon bei diesem deutlich vorhanden, und würde, bei der hohen Wichtigkeit der Sache, allein hinreichend seyn, seinen Namen unsterblich zu machen. – Es muß uns höchlich betrüben, wenn wir die Köpfe ersten Ranges einer Unredlichkeit verdächtig finden, die selbst denen des letzten zur Schande gereicht; indem wir fühlen, daß einem reichen Mann Diebstahl noch weniger zu verzeihen wäre, als einem armen. Wir dürfen aber nicht dazu schweigen: denn hier sind wir die Nachwelt und müssen gerecht seyn; wie wir hoffen, daß auch gegen uns einst die Nachwelt gerecht seyn werde. Daher will ich zu jenen Fällen noch als drittes Seitenstück anführen, daß die Grundgedanken der »Metamorphose der Pflanzen«, von Goethe , bereits 1764 ausgesprochen waren von Kaspar Friedrich Wolff in seiner »Theorie von der Generation«, S. 148, 229, 243 u.s.w. – Ja, ist es denn anders mit dem Gravitationssystem ? dessen Entdeckung, auf dem Europäischen Festlande, noch immer dem Neuton zugeschrieben wird; während in England wenigstens die Gelehrten sehr wohl wissen, daß sie dem Robert Hooke angehört, welcher sie schon im Jahr 1666, in einer Communication to the Royal Society , zwar nur als Hypothese und ohne Beweis, aber ganz deutlich darlegte. Die Hauptstelle aus dieser ist abgedruckt in Dugald Stewart's Philosophy of the human mind. Vol. 2, p. 434 , und wahrscheinlich aus R. Hooke's Posthumous works entnommen. Den Hergang der Sache und wie Neuton dabei ins Gedränge kam, findet man auch in der Biographie universelle, article Neuton. Als ausgemachte Sache wird Hooke's Priorität behandelt in einer kurzen Geschichte der Astronomie, Quarterly review , August 1828. Das Ausführlichere über diesen Gegenstand findet man in meinen Parergis, Bd. 11, § 86. Die Geschichte vom Fall eines Apfels ist ein eben so grundloses, als beliebtes Mährchen und ohne alle Auktorität.
2) Zu Nr. 18 der Materie.
Die Größe der Bewegung (quantitas motus , schon bei Cartesius) ist das Produkt der Masse in die Geschwindigkeit.
Dieses Gesetz begründet nicht nur in der Mechanik die Lehre vom Stoß, sondern auch in der Statik die Lehre vom Gleichgewicht. Aus der Stoßkraft, welche zwei Körper, bei gleicher Geschwindigkeit, äußern, läßt sich das Verhältniß ihrer Massen zu einander bestimmen: so wird von zwei gleich schnell schlagenden Hämmern der von größerer Masse den Nagel tiefer in die Wand, oder den Pfahl tiefer in die Erde treiben. Z.B. ein Hammer, dessen Gewicht sechs Pfund ist, wird, bei einer Geschwindigkeit = 6, so viel wirken wie ein Hammer von drei Pfund, bei einer Geschwindigkeit = 12: denn in beiden Fällen ist die Größe der Bewegung = 36. Von zwei gleich schnell rollenden Kugeln wird die von größerer Masse eine dritte ruhende Kugel weiter fortstoßen, als die von kleinerer Masse es kann: weil die Masse der ersteren, multiplicirt mit der gleichen Geschwindigkeit, ein größeres Quantum der Bewegung ergiebt. Die Kanone reicht weiter als die Flinte, weil dort die gleiche Geschwindigkeit, einer viel größern Masse mitgetheilt, ein viel größeres Quantum Bewegung liefert, welches der ermattenden Einwirkung der Schwere länger widersteht. Aus dem nämlichen Grunde wird der selbe Arm eine bleierne Kugel weiter werfen, als eine steinerne von gleicher Größe, oder einen größern Stein weiter, als einen ganz kleinen. Daher auch reicht ein Kartätschenschuß nicht so weit, wie der Schuß mit der Kugel.
Das selbe Gesetz liegt der Lehre vom Hebel und von der Waage zum Grunde: denn auch hier hat die kleinere Masse, am langem Hebelarm oder Waagebalken, beim Fallen eine größere Geschwindigkeit, mit welcher multiplicirt sie der, am kurzem Arm befindlichen, größern Masse an Größe der Bewegung gleich kommen, ja, sie übertreffen kann. In dem durch das Gleichgewicht herbeigeführten Zustande der Ruhe ist jedoch diese Geschwindigkeit bloß intentionell, oder virtuell, potentiâ nicht actu , vorhanden, wirkt jedoch so gut wie actu , welches sehr merkwürdig ist.
Nach diesen in Erinnerung gebrachten Wahrheiten wird die folgende Erklärung leichter faßlich seyn.
Die Quantität einer gegebenen Materie kann überhaupt nur nach ihrer Kraft geschätzt und diese nur an ihrer
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