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Die Welt als Wille und Vorstellung (German Edition)

Die Welt als Wille und Vorstellung (German Edition)

Titel: Die Welt als Wille und Vorstellung (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Arthur Schopenhauer
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Aeußerung erkannt werden. Diese Aeußerung kann, wo die Materie bloß ihrer Quantität, nicht ihrer Qualität nach in Betracht kommt, nur eine mechanische seyn, d.h. nur bestehn in der Bewegung , die sie anderer Materie mittheilt. Denn erst in der Bewegung wird die Kraft der Materie gleichsam lebendig: daher der Ausdruck lebendige Kraft für die Kraftäußerung der bewegten Materie. Demnach ist für die Quantität gegebener Materie das alleinige Maaß die Größe ihrer Bewegung . In dieser aber, wenn sie gegeben ist, tritt die Quantität der Materie noch mit dem andern Faktor derselben, der Geschwindigkeit , versetzt und verschmolzen auf: dieser andere Faktor also muß ausgeschieden werden, wenn man die Quantität der Materie (die Masse) erkennen will. Nun wird zwar die Geschwindigkeit unmittelbar erkannt: denn sie ist S/T. Allein der andere Faktor, der durch Ausscheidung dieses übrig bleibt, also die Masse, ist stets nur relativ erkennbar, nämlich im Vergleich mit andern Massen, die aber selbst wieder nur mittelst der Größe ihrer Bewegung , also in ihrer Versetzung mit der Geschwindigkeit, erkennbar sind. Man muß also ein Quantum Bewegung mit dem andern vergleichen, dann aus beiden die Geschwindigkeit abrechnen, um zu ersehn wie viel jedes derselben seiner Masse verdankte. Dies geschieht durch das Wägen der Massen gegen einander, in welchem nämlich diejenige Größe der Bewegung , welche, in jeder der beiden Massen, die auf beide nur nach Maaßgabe ihrer Quantität wirkende Anziehungskraft der Erde erregt, verglichen wird. Daher giebt es zwei Arten des Wagens: nämlich entweder ertheilt man den beiden zu vergleichenden Massen gleiche Geschwindigkeit, um zu ersehn, welche von beiden der andern jetzt noch Bewegung mittheilt , also selbst ein größeres Quantum derselben hat , welches, da die Geschwindigkeit auf beiden Seiten gleich ist, dem andern Faktor der Größe der Bewegung , also der Masse, zuzuschreiben ist (Handwaage): oder aber man wägt dadurch, daß man untersucht, wie viel Geschwindigkeit die eine Masse mehr erhalten muß, als die andere hat, um dieser an Größe der Bewegung gleich zu kommen, mithin von ihr sich keine mehr mittheilen zu lassen; da dann in dem Verhältniß, wie ihre Geschwindigkeit die der andern übertreffen muß, ihre Masse, d.h. die Quantität ihrer Materie, geringer ist, als die der andern (Schnellwaage). Diese Schätzung der Massen durch Wägen beruht auf dem günstigen Umstand, daß die bewegende Kraft, an sich selbst, auf Beide ganz gleichmäßig wirkt, und jede von Beiden in der Lage ist, ihren Ueberschuß an Größe der Bewegung unmittelbar der andern mitzutheilen , wodurch er sichtbar wird.
    Das Wesentliche dieser Lehren ist längst, von Neuton und Kant , ausgesprochen worden, aber durch den Zusammenhang und die Klarheit dieser Darstellung glaube ich denselben eine Faßlichkeit verliehen zu haben, welche Jedem die Einsicht zugänglich macht, die ich zur Rechtfertigung des Satzes Nr. 18 nöthig erachtete.

Zweite Hälfte.

Die Lehre von der abstrakten Vorstellung, oder dem Denken.

Kapitel 5. Vom vernunftlosen Intellekt

    Eine vollkommene Kenntniß des Bewußtseyns der Thiere müßte möglich seyn; sofern wir es durch bloße Wegnahme gewisser Eigenschaften des unserigen konstruiren können. Jedoch greift in dasselbe andererseits der Instinkt ein, welcher in allen Thieren entwickelter, als im Menschen ist, und in einigen bis zum Kunsttriebe geht.
    Die Thiere haben Verstand, ohne Vernunft zu haben, mithin anschauliche , aber keine abstrakte Erkenntniß: sie apprehendiren richtig, fassen auch den unmittelbaren Kausalzusammenhang auf, die obern Thiere selbst durch mehrere Glieder seiner Kette; jedoch denken sie eigentlich nicht. Denn ihnen mangeln die Begriffe , d.h. die abstrakten Vorstellungen. Hievon aber ist die nächste Folge der Mangel eines eigentlichen Gedächtnisses, welchem selbst die klügsten Thiere noch unterliegen, und dieser eben begründet hauptsächlich den Unterschied zwischen ihrem Bewußtseyn und dem menschlichen. Die vollkommene Besonnenheit nämlich beruht auf dem deutlichen Bewußtseyn der Vergangenheit und der eventuellen Zukunft als solcher und im Zusammenhange mit der Gegenwart. Das hiezu erforderte eigentliche Gedächtniß ist daher eine geordnete, zusammenhängende, denkende Rückerinnerung: eine solche aber ist nur möglich mittelst allgemeiner Begriffe , deren Hülfe sogar das ganz Individuelle bedarf, um in seiner Ordnung und Verkettung

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