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Die Welt als Wille und Vorstellung (German Edition)

Die Welt als Wille und Vorstellung (German Edition)

Titel: Die Welt als Wille und Vorstellung (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Arthur Schopenhauer
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wirft man hinaus«, – vergessen aber, daß er zugleich Arrestant, d.h. Einer, den sie festhalten sollen, ist. – Zwei Bauerjungen hatten ihre Flinte mit grobem Schrot geladen, welches sie, um ihm feines zu substituiren, heraus haben wollten, ohne jedoch das Pulver einzubüßen. Da legte der Eine die Mündung des Laufes in seinen Hut, den er zwischen die Beine nahm, und sägte zum Andern: »Jetzt drücke du ganz sachte, sachte, sachte los: da kommt zuerst das Schrot.« Er geht aus von dem Begriff »Verlangsamung der Ursache giebt Verlangsamung der Wirkung.« – Belege sind ferner die meisten Handlungen des Don Quijote, welcher unter Begriffe, die er aus Ritterromanen geschöpft, die ihm vorkommenden ihnen sehr heterogenen Realitäten subsumirt, z.B. um die Unterdrückten zu beschützen, die Galeerensklaven befreit. Eigentlich gehören auch alle Münchhausianaden hieher: nur sind sie nicht närrische Handlungen, die vollzogen, sondern unmögliche, die als wirklich geschehn dem Zuhörer aufgebunden werden. Bei denselben ist allemal die Thatsache so gefaßt, daß sie, bloß in abstracto , mithin komparativ a priori gedacht, als möglich und plausibel erscheint; aber hinterher, wenn man zur Anschauung des individuellen Falls herabkommt, also a posteriori , thut sich das Unmögliche der Sache, ja, das Absurde der Annahme hervor und erregt Lachen, durch die augenfällige Inkongruenz des Angeschauten zum Gedachten: z.B. wenn die im Posthorn eingefrorenen Melodien in der warmen Stube aufthauen; wenn Münchhausen, bei strengem Frost, auf dem Baume sitzend, sein herabgefallenes Messer am gefrierenden Wasserstrahl seines Urins in die Höhe zieht, u.s.w. Dieser Art ist auch die Geschichte von zwei Löwen, welche Nachts die Scheidewand durchbrochen und in ihrer Wuth sich gegenseitig auffressen; so daß am Morgen nur noch die beiden Schwänze gefunden werden.
    Noch giebt es Fälle des Lächerlichen, wo der Begriff, unter welchen das Anschauliche gebracht wird, weder ausgesprochen, noch angedeutet zu werden braucht, sondern vermöge der Ideenassociation von selbst ins Bewußtseyn tritt. Das Lachen, in welches Garrick , mitten im Tragiren, ausbrach, weil ein vorn im Parterre stehender Fleischer, um sich den Schweiß abzuwischen, einstweilen seinem großen Hunde, der, mit den Vorderpfoten auf die Parterreschranke gestützt, nach dem Theater hinsah, seine Perrücke aufgesetzt hatte, war dadurch vermittelt, daß Garrick vom hinzugedachten Begriff eines Zuschauers ausgieng. Eben hierauf beruht es, daß gewisse Thiergestalten, wie Affen, Kangurus, Springhaasen u. dgl. uns bisweilen lächerlich erscheinen, weil etwas Menschenähnliches in ihnen uns veranlaßt, sie unter den Begriff der menschlichen Gestalt zu subsumiren, von welchem wieder ausgehend, wir ihre Inkongruenz zu demselben wahrnehmen.
    Die Begriffe, deren hervortretende Inkongruenz zur Anschauung uns zum Lachen bewegt, sind nun entweder die eines Andern, oder unsere eigenen. Im ersten Fall lachen wir über den Andern: im zweiten fühlen wir eine oft angenehme, wenigstens belustigende Ueberraschung. Kinder und rohe Menschen lachen daher bei den kleinsten, sogar bei widrigen Zufällen, wenn sie ihnen unerwartet waren, also ihren vorgefaßten Begriff des Irrthums überführten. – In der Regel ist das Lachen ein vergnüglicher Zustand: die Wahrnehmung der Inkongruenz des Gedachten zum Angeschauten, also zur Wirklichkeit, macht uns demnach Freude und wir geben uns gern der krampfhaften Erschütterung hin, welche diese Wahrnehmung erregt. Der Grund hievon liegt in Folgendem. Bei jenem plötzlich hervortretenden Widerstreit zwischen dem Angeschauten und dem Gedachten behält das Angeschaute allemal unzweifelhaftes Recht: denn es ist gar nicht dem Irrthum unterworfen, bedarf keiner Beglaubigung von außerhalb, sondern vertritt sich selbst. Sein Konflikt mit dem Gedachten entspringt zuletzt daraus, daß dieses mit seinen abstrakten Begriffen nicht herabkann zur endlosen Mannigfaltigkeit und Nüancirung des Anschaulichen. Dieser Sieg der anschauenden Erkenntniß über das Denken erfreut uns. Denn das Anschauen ist die ursprüngliche, von der thierischen Natur unzertrennliche Erkenntnißweise, in der sich Alles, was dem Willen unmittelbares Genügen giebt, darstellt: es ist das Medium der Gegenwart, des Genusses und der Fröhlichkeit: auch ist dasselbe mit keiner Anstrengung verknüpft. Vom Denken gilt das Gegentheil: es ist die zweite Potenz des Erkennens, deren Ausübung stets

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