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Die Welt als Wille und Vorstellung (German Edition)

Die Welt als Wille und Vorstellung (German Edition)

Titel: Die Welt als Wille und Vorstellung (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Arthur Schopenhauer
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Leute ohne alle Bildung werden über so etwas lachen: denn hier ist die Inkongruenz zwischen dem Gedachten und dem Angeschauten eine totale. Doch tritt, eben bei dieser plumpen Uebertreibung in der Bewerkstelligung des Lächerlichen, der Grundcharakter desselben, besagte Inkongruenz, sehr deutlich hervor. – Dieser Gattung des Lächerlichen ist, wegen der Uebertreibung und deutlichen Absichtlichkeit, in etwas verwandt die Parodie . Ihr Verfahren besteht darin, daß sie den Vorgängen und Worten eines ernsthaften Gedichtes oder Dramas unbedeutende, niedrige Personen, oder kleinliche Motive und Handlungen unterschiebt. Sie subsumirt also die von ihr dargestellten platten Realitäten unter die im Thema gegebenen hohen Begriffe, unter welche sie nun in gewisser Hinsicht passen müssen, während sie übrigens denselben sehr inkongruent sind; wodurch dann der Widerstreit zwischen dem Angeschauten und dem Gedachten sehr grell hervortritt. An bekannten Beispielen fehlt es hier nicht: ich führe daher nur eines an, aus der Zobeide von Carlo Gozzi , Akt 4, Scene 3, wo zweien Hanswürsten, die sich soeben geprügelt haben und davon ermüdet ruhig neben einander liegen, die berühmte Stanze des Ariosto (Orl. fur. I, 22) oh gran bontà de cavalieri antichi u.s.w. ganz wörtlich in den Mund gelegt ist. – Dieser Art ist auch die in Deutschland sehr beliebte Anwendung ernster, besonders Schiller'scher Verse auf triviale Vorfälle, welche offenbar eine Subsumtion des Heterogenen unter den allgemeinen Begriff, welchen der Vers ausspricht, enthält. So z.B. wann Jemand einen recht charakteristischen Streich hat ergehn lassen, wird es selten an Einem fehlen, der dazu sagt: »Daran erkenn' ich meine Pappenheimer.« Aber originell und sehr witzig war es, als Einer an ein eben getrautes junges Ehepaar, dessen weibliche Hälfte ihm gefiel, die Schlußworte der Schiller'schen Ballade »Die Bürgschaft« (ich weiß nicht wie laut) richtete:

    »Ich sei, erlaubt mir die Bitte,
    In eurem Bunde der Dritte.«

    Die Wirkung des Lächerlichen ist hier stark und unausbleiblich, weil unter die Begriffe, durch welche Schiller uns ein moralisch edeles Verhältniß zu denken giebt, ein verbotenes und unsittliches, aber richtig und ohne Veränderung subsumirt, also dadurch gedacht wird. – In allen hier angeführten Beispielen des Witzes findet man, daß einem Begriff, oder überhaupt einem abstrakten Gedanken, ein Reales, unmittelbar, oder mittelst eines engern Begriffes, subsumirt wird, welches zwar, nach der Strenge, darunter gehört, jedoch himmelweit verschieden ist von der eigentlichen und ursprünglichen Absicht und Richtung des Gedankens. Demgemäß besteht der Witz, als Geistesfähigkeit, ganz allein in der Leichtigkeit, zu jedem vorkommenden Gegenstande einen Begriff zu finden, unter welchem er allerdings mitgedacht werden kann, jedoch allen andern darunter gehörigen Gegenständen sehr heterogen ist.
    Die zweite Art des Lächerlichen geht, wie erwähnt, in umgekehrter Richtung, vom abstrakten Begriff zu dem durch diesen gedachten Realen, also Anschaulichen, welches nun aber irgend eine Inkongruenz zu demselben, die übersehn worden, an den Tag legt, wodurch eine Ungereimtheit, mithin in praxi eine närrische Handlung, entsteht. Da das Schauspiel Handlung erfordert, so ist diese Art des Lächerlichen der Komödie wesentlich. Hierauf beruht Voltaire's Bemerkung: J'ai cru remarquer aux spectacles, qu'il ne s'élève presque jamais de ces éclats de rire universels, qu'à l'occasion d'une méprise (Préface de l'enfant prodigue.) Als Beispiele dieser Gattung des Lächerlichen können die folgenden gelten. Als Jemand geäußert hatte, daß er gern allein spatzieren gienge, sagte ein Oesterreicher zu ihm: »Sie gehn gern allein spatzieren; ich halt auch: da können wir zusammen gehn.« Er geht aus von dem Begriff »ein Vergnügen, welches Zwei lieben, können sie gemeinschaftlich genießen«, und subsumirt demselben den Fall, der gerade die Gemeinschaft ausschließt. Ferner der Bediente, welcher das abgeschabte Seehundsfell am Koffer seines Herrn mit Makassaröl bestreicht, damit es wieder behaart werde; wobei er ausgeht von dem Begriff »Makassaröl macht Haare wachsen«; – die Soldaten in der Wachtstube, welche dem eben eingebrachten Arrestanten an ihrem Kartenspiel Theil zu nehmen erlauben, weil er aber dabei schikanirt, wodurch Streit entsteht, ihn hinauswerfen: sie lassen sich leiten durch den allgemeinen Begriff »schlechte Gesellen

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